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Flüchtlingspolitik: Grüne "in gutem Gespräch" mit ÖVP

Moria refugee camp - Mitilyne, Greece 07.03.2020., Mitilyne, Greece - Moria refugee camp on the island of Lesbos was ori
Moria refugee camp - Mitilyne, Greece 07.03.2020., Mitilyne, Greece - Moria refugee camp on the island of Lesbos was oriimago images/Pixsell
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Deutschland nimmt nun Kinder aus den griechischen Flüchtlingslagern auf. Und Österreich? Die Grünen wollen den türkisen Koalitionspartner zumindest beeinflussen.

Während die deutsche Regierung in der Nacht auf Montag bekanntgab, in einer „Koalition der Willigen“ Kinder und Jugendliche aus den überfüllten Flüchtlingslagern in Griechenland aufnehmen zu wollen, bleibt die österreichische Regierung bei der Linie: Hilfe in Griechenland ja, Aufnahmen von unbegleiteten Minderjährigen nein.

Eine solche Aufnahme von Kindern hatte vergangene Woche noch der österreichische Vizekanzler, Werner Kogler, gefordert; er deklarierte seine Aussage wenig später als „persönliche Meinung“. Unterstützung erhielt der Grünen-Chef in seiner Haltung von Bundespräsident Alexander Van der Bellen. An der Linie des Koalitionspartners, der ÖVP, änderte das allerdings nichts.

Am Montag äußerte sich dann die grüne Vize-Klubchefin, Ewa Ernst-Dziedzic, zu den deutschen Plänen. Ernst-Dziedzic hatte am Wochenende das Flüchtlingslager Moria auf der griechischen Insel Lesbos besucht und berichtete von Zuständen, „die Europa nicht würdig sind“. Die internationale NGO „Ärzte ohne Grenzen“ habe bereits vor Jahren empfohlen, Kinder und Jugendliche aus dem Lager zu holen. Die Situation habe sich aktuell verschärft, so Ernst-Dziedzic gegenüber dem Ö1-„Morgenjournal“. „Es fehlt an Wasser, es fehlt an Nahrung, die Leute kriegen in der Früh einen Keks zum Frühstück. Sie wissen nicht, was mit ihnen passiert.“ Von Sicherheit könne man am ganzen Gelände des Lagers nicht sprechen.

„Es kann nicht alles Österreich bewältigen“ 

Es handle sich um eine „übersichtliche Anzahl an Menschen“, die in den Lagern untergebracht seien. „Wir wissen ganz genau, welche Maßnahmen wir setzen müssten, damit sich die Lage dort bessert.“ Ungefähr 7000 Kinder seien zudem in dem Lager untergebracht, an die 1000 davon seien unbegleitet. „Gerade die Kinder, gerade die unbegleiteten“, seien von Gewalt und sexuellem Missbrauch betroffen, so die Grünen-Politikerin. „Es ist in unserer Verantwortung, hier nicht zuzusehen. Es handelt sich hier um europäischen Boden.“ 

Die Gelder, die die EU nun für Griechenland bereitgestellt hat, sollten nicht nur in den Außengrenzschutz fließen, meinte Ernst-Dziedzic. Dieser sei zwar „ohne Zweifel“ wichtig, man dürfe allerdings die humanitäre Situation nicht vergessen. Mit den Mitteln, die Österreich aktuell zur Verfügung stellt, sei es aber nicht getan. „Ich denke, wir setzen jetzt als Österreich, als türkis-grüne Koalition - auch auf Pochen der Grünen - ganz, ganz wichtige Schritte, seien es die drei Millionen (Euro, Anm.) jetzt für Nordsyrien oder eben die eine Million (Euro, Anm.), die nach Griechenland gehen soll. Es ist natürlich nicht genug. Aber ja, es stimmt: Es kann nicht alles Österreich bewältigen. Da braucht es wirklich eine Partnerschaft der Vernünftigen.“ Sie könne sich nur dem EU-Politiker Othmar Karas (ÖVP) anschließen: „Wir müssen diesen gordischen Knoten der Verantwortungslosigkeit und der Handlungsunfähigkeit endlich lösen.“ 

Grüne wollen „Überzeugungsarbeit“ bei ÖVP leisten

Direkt eingehen wollte Ernst-Dziedzic nicht auf die Frage, ob Österreich nun Kinder aus den Lagern aufnehmen solle. Es gebe im Moment „andere Hebel“, um deren Lage zu verbessern, so die Vize-Klubchefin. Mit Hinblick auf die Entscheidung der deutschen Regierung, Kinder aufzunehmen, sagte sie, Österreich müsse sich „an dieser Debatte beteiligen“. „Als letzte Maßnahme wäre eine Evakuation von Kindern eine Möglichkeit.“ Ernst-Dziedzic verwies auf den Willen anderer EU-Länder, Kinder und Jugendliche aufzunehmen. Die Lage könnte sich daher so weit entschärfen, dass sich die Frage für die österreichische Regierung gar nicht mehr stelle.

„Natürlich“ würden die Grünen in der Frage Druck auf den Kanzler, Sebastian Kurz (ÖVP), machen. Ernst-Dziedzic verwies zudem auf die Initiativen von Bürgermeistern, die eine Aufnahme von Flüchtlingen fordern - „die Debatte ist noch lange nicht beendet“: Die Grünen müssten beim Koalitionspartner ÖVP Überzeugungsarbeit leisten. Die Koalition sei deshalb aber „noch lange nicht“ in Gefahr. „Wir sind im Gespräch - im guten Gespräch - mit der ÖVP und ich denke, da gibt es noch sehr viel Bewegungsfreiheit.“

(Red.)

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