Crashkurs Arbeitsrecht

Auflösung des Dienstverhältnisses während des Präsenzdienstes

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Folge 76. Das unbefristete Dienstverhältnis von Andi A. wird während dessen Präsenzdienstes gekündigt. Später lässt er sich zu einer „Einvernehmlichen“ überreden. Erst danach erfährt er, dass er während des Präsenzdienstes besonderen Kündigungsschutz genießt. Kommt er da wieder heraus?

Andi A. wird während Leistung des Präsenzdienstes von seinem bisherigen Dienstgeber gekündigt. Das Dienstverhältnis zu X ist unbefristet und kann unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von zwei Monaten vom Dienstgeber beendet werden. Als Andi A. kurz darauf zu X fährt, um seine Betriebsmittel zurückzustellen, legt ihm dieser überraschenderweise eine Vereinbarung über die einvernehmliche Beendigung vor. Diese regelt den Beendigungszeitpunkt und den Verbrauch des Resturlaubes bis zur Beendigung. Andi A. sagt daraufhin, er möchte noch mit dem Betriebsrat sprechen, unterschreibt dann aber trotzdem. Zwei Wochen später erfährt Andi A., dass während des Präsenzdienstes ein besonderer Bestandschutz des Dienstverhältnisses besteht und er fragt sich, ob die einvernehmliche Beendigung wirksam ist.

Darüber hinaus ist ihm unklar, ob die im Dienstvertrag enthaltene nachvertragliche Konkurrenzklausel gültig ist, da er gerne weiterhin in dieser Branche arbeiten würde. Weiters wäre ihm die Auszahlung seines bestehenden Resturlaubes ein Anliegen, weil er während der Leistung des Präsenzdienstes fast all seine Ersparnisse verbraucht hat und nunmehr knapp bei Kasse ist.

Beendigungsarten des Dienstverhältnisses im Überblick

Grundsätzlich besteht bei unbefristeten Dienstverhältnissen die Möglichkeit der Kündigung. Dabei sind jedoch Fristen und Kündigungstermine zu beachten. Diese können einerseits gesetzlich und andererseits vertraglich geregelt werden. Liegt ein wichtiger Grund vor, so kann das Dienstverhältnis durch den Dienstnehmer sofort durch begründeten vorzeitigen Austritt oder vom Dienstgeber durch Entlassung beendet werden.

Alternativ kann das Dienstverhältnis auch durch Vereinbarung zwischen Dienstgeber und Dienstnehmer einvernehmlich beendet werden. Der Vorteil dabei ist, dass mit der einvernehmlichen Beendigung einerseits der Termin frei gewählt werden kann und andererseits allenfalls offene oder unklare Ansprüche geregelt werden können.

Formvorschriften der einvernehmlichen Beendigung

Die einvernehmliche Beendigung ist grundsätzlich an keine Formvorschriften gebunden und kann in der Regel auch mündlich erfolgen. Ausnahmen von der Formfreiheit bestehen jedoch beispielsweise im zeitlichen Zusammenhang mit

  • Mutterschutz,
  • Karenz nach dem Mutterschutzgesetz,
  • einem aufrechten Lehrverhältnis und
  • dem Präsenz- oder Zivildienst.

Bei Leistung des Präsenz- oder Zivildienstes während des aufrechten Kündigungs- und Entlassungsschutzes gelten zum Beispiel besondere Vorschriften, die bei Abschluss einer Vereinbarung über die einvernehmliche Beendigung zu beachten sind: Die Vereinbarung hat schriftlich zu erfolgen und ihr ist eine Bescheinigung über die Belehrung über den Kündigungs- und Entlassungsschutz des Gerichtes oder einer gesetzlichen Interessenvertretung des Arbeitnehmers beizufügen. Im Fall einer unzulässigen einvernehmlichen Beendigung unter Bestandschutz hat der Dienstnehmer die Wahlmöglichkeit, auf den Weiterbestand des Dienstverhältnisses zu bestehen oder die Beendigung anzuerkennen und Kündigungsentschädigung zu verlangen.

Sofern ein Betriebsrat besteht, kann der Dienstnehmer eine Beratung über die einvernehmliche Beendigung mit diesem verlangen. In diesem Fall kann zwei Tage ab Verlangen keine wirksame Vereinbarung abgeschlossen werden (Sperrfrist). Aufgrund des Erfordernisses der Nachweisbarkeit, sollte die Beratung schriftlich oder allenfalls vor Zeugen verlangt werden. In weiterer Folge hat der Dienstnehmer die Möglichkeit, binnen einer Woche nach Ablauf der Sperrfrist die Unwirksamkeit der Vereinbarung schriftlich geltend zu machen. Während dieser Zeit ist die Vereinbarung schwebend wirksam.

Da Andi A. noch während des Präsenzdienstes die Vereinbarung über die einvernehmliche Beendigung unterschrieben hat, war der Kündigungs- und Entlassungsschutz noch gegeben. Demnach wäre für eine rechtswirksame einvernehmliche Beendigung entweder eine Belehrung durch das Gericht oder durch eine gesetzliche Interessenvertretung (z.B. Arbeiterkammer) über den Kündigungs- und Entlassungsschutz erforderlich gewesen. Andi A. kann daher den Weiterbestand des Dienstverhältnisses durchsetzen oder aber Kündigungsentschädigung verlangen.

Andi A. macht sich erst zwei Wochen später über die Wirksamkeit der einvernehmlichen Beendigung Gedanken, weshalb die einwöchige Frist zur Geltendmachung der Nichtigkeit im Zusammenhang mit der Beratung mit dem Betriebsrat bereits abgelaufen ist. Darüber hinaus wäre das mündliche Verlangen der Beratung, sofern keine Zeugen anwesend waren, wohl schwer nachweisbar.

Inhalt der einvernehmlichen Beendigung

Inhalt einer einvernehmlichen Beendigung des Dienstverhältnisses ist zunächst der Zeitpunkt der Beendigung des Dienstverhältnisses. Dieser kann frei gewählt werden. Darüber hinaus kann die Vereinbarung die Regelung von offenen oder unklaren Ansprüchen, wie hinsichtlich Urlaubsverbrauch, Abfertigung, Konkurrenzklausel oder Ausbildungskosten, enthalten.

Die gegenständlich abgeschlossene Vereinbarung enthält eine Regelung über den Verbrauch des Resturlaubes. Macht Andi A. nicht von seinem Recht Gebrauch, den Weiterbestand des Dienstverhältnisses zu verlangen, so kann er keine Urlaubsersatzleistung geltend machen, da er sich verpflichtet hat, den Resturlaub zu verbrauchen.

Rechtswirkungen der einvernehmlichen Beendigung

Mit der einvernehmlichen Beendigung treten zum Beendigungszeitpunkt das Ende der Arbeitspflicht und das Ende der Entgeltzahlungspflicht ein. Werden keine abweichenden Regelungen getroffen, so hat der Dienstnehmer beispielsweise Anspruch auf Urlaubsersatzleistung, bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen auf Abfertigung alt und auf die Ausstellung eines Dienstzeugnisses. Sofern der Dienstgeber in der einvernehmlichen Beendigung nicht darauf verzichtet hat, kann er allenfalls Ansprüche auf Rückzahlung von Ausbildungskosten oder aus einer nachvertraglichen Konkurrenzklausel geltend machen. Die Weitergeltung der nachvertraglichen Konkurrenzklausel ist auch dann gegeben, wenn der Dienstgeber zunächst das Dienstverhältnis gekündigt hat und erst danach eine einvernehmliche Beendigung erfolgt.

Sofern im Fall von Andi A. von einer wirksamen Vereinbarung über die einvernehmliche Auflösung auszugehen ist, kann X die nachvertragliche Konkurrenzklausel wirksam durchsetzen.

Fazit

Bei Vereinbarung über die einvernehmliche Beendigung des Dienstverhältnisses wurde das Erfordernis einer Beratung über den besonderen Bestandschutz, den Andi A. aufgrund der Leistung des Präsenzdienstes genießt, nicht beachtet. Andi A. kann also auf die Unwirksamkeit der Vereinbarung bestehen und den Weiterbestand des Dienstverhältnisses verlangen. Macht er von diesem Recht nicht Gebrauch, so hat er seinen Resturlaub bis zur Beendigung des Dienstverhältnisses zu verbrauchen und muss allenfalls die nachvertragliche Konkurrenzklausel gegen sich gelten lassen.

Dr. Roland Heinrich ist Rechtsanwalt und Partner bei Saxinger, Chalupsky & Partner Rechtsanwälte GmbH (SCWP Schindhelm) am Standort Wels mit Schwerpunkt im Bereich des Arbeitsrechts.

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