Coronavirus

Ein Virus legt das Kulturleben lahm

Die Presse
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Ein leeres Burgtheater, zweigeteilte Konzerte, gesperrte Kinositze: Die Kulturinstitutionen gehen unterschiedlich mit dem Erlass um, der Indoor-Veranstaltungen mit über hundert Personen bis Ende März untersagt. Was findet noch statt?

Das Coronavirus sorgt nun auch für deutliche Einschränkungen des kulturellen Lebens in Österreich. Die Regierung verkündete Dienstagmittag, dass Freiluft-Veranstaltungen mit mehr als 500 Besuchern und Veranstaltungen in geschlossenen Räumen mit über 100 Gästen bis Anfang April untersagt werden. Das trifft neben Konzertveranstaltern vor allem auch Theater und Opernhäuser.

Derzeit tagen in vielen Kulturinstitutionen die Krisenstäbe, wie etwa mit den kommenden Premieren und Konzerten umgegangen werden soll. Was der Erlass, der im Detail noch nicht vorliegt, genau bedeutet, war vielen Institutionen am Dienstag noch nicht klar. Viele reagierten sofort - und sagten mitunter ihr komplettes Programm ab. Für das Wiener Kulturpublikum bedeutet das: Die großen Theater machen bis Ende März dicht. Kleinere Betreiber reagierten auf unterschiedliche Art.

Theater

Das Burgtheater hat sein gesamtes März-Programm in allen Spielstätten abgesagt. Einzelkarten können gegen Erstattung des Kaufpreises zurückgegeben werden, Abonnenten werden gesondert informiert. Online oder via Hotline gekaufte Karten, die noch nicht behoben wurden, werden automatisch storniert.

Das Volkstheater, das derzeit wegen Sanierung die Halle E des Museumsquartiers bespielt, sagt dort auch alle März-Termine ab. Die Vorstellungen im Volx/Margarethen werden abgehalten und auf 99 Anwesende – das inkludiert Publikum wie auch Darsteller und Theaterpersonal – begrenzt. Zudem prüft man die Idee, Aufführungen als Live-Stream zu senden. Das könnte bedeuten, dass auf der Bühne der Halle E gespielt wird – nur nicht vor Publikum. Eine Herausforderung ist, dass die Volkstheater-Saison heuer schon am 25. April endet. Damit ist unklar, ob einzelne Vorstellungen überhaupt nachgeholt werden können – „Wer hat meinen Vater umgebracht“ wäre etwa am heutigen Mittwoch zum letzten Mal gespielt worden.

Das Theater in der Josefstadt und die dazugehörigen Kammerspiele bleiben leer, ebenso das Theater der Jugend und das Rabenhof-Theater. Das Theater in der Gumpendorferstraße, dass je nach Bestuhlung bis zu 135 Plätze hat, wollte am Dienstag noch den detaillierten Erlass abwarten, tendierte aber eher zu einer Absage als zu einer Reduktion der Sitzplätze. Man verstehe nämlich den Sinn der Maßnahme. Diese treffe das Theater weniger als die freischaffenden Künstler – deren Verdienstentgang wolle man möglichst abfedern.

Oper und Klassik

In der Staatsoper wird der Spielbetrieb völlig eingestellt – auch hier können Einzelkarten zurückgegeben werden, Abonnenten werden informiert. Dem Haus entgehen dadurch täglich 130.000 bis 140.000 Euro an Einnahmen, sagt Direktor Dominique Meyer, der dafür Unterstützung vom Staat fordert. Er fragt sich auch, ob denn weiterhin geprobt werden dürfe: Denn auch da seien oft über hundert Personen anwesend.

Auch die Volksoper, der Musikverein und das Konzerthaus sagten alle März-Termine ab. Das Konzerthaus prüft alle Konzerte in den nächsten Wochen um zu sehen, welche nachgeholt werden können. Wird kein Ersatzkonzert angeboten, können die Tickets innerhalb von sechs Monaten zurückgegeben werden. Die Vereinigten Bühnen Wien - zu denen das Ronacher ("Cats"), das Theater an der Wien und die Kammeroper gehören - wollten am Dienstag noch den genauen Erlass abwarten. Einen ungewöhnlichen Schritt erwog man zunächst in der Kammeroper: Die Premiere von „Genia“ am Dienstag sollte erst ohne Publikum stattfinden – nur mit Kritikern. Schließlich wurde sie ganz abgesagt.

Auch kleinere Konzertveranstalter wie das Wiener Haus der Musik und das Schönberg-Center gaben ihre Absagen bekannt.

Pop und Jazz

Das Jazzlokal Porgy & Bess will versuchen, alle Konzerte stattfinden zu lassen. Eine Möglichkeit wäre etwa, Konzerte in zwei Teilen abzuhalten, wobei jeweils nicht mehr als hundert Zuschauer zugelassen werden.

In der Wiener Stadthalle arbeitet man daran, Ersatztermine für die vielen März-Konzerte zu finden – betroffen ist etwa das James-Blunt-Konzert am 31. März. Nicht stattfinden wird jedenfalls das für 20. März geplante Santana-Konzert. Der Ticketpreis abgesagter Veranstaltungen wird rückerstattet, man soll sich an die Verkaufsstelle wenden.

Für Barracuda Music, einen der größten Konzertveranstalter im Popbereich, bedeutet das Veranstaltungsverbot die Absage von 40 Konzerten bis Ende März. "Wir haben überall über 100", so Geschäftsführer Martin Vögel. "Den Großteil werden wir mal auf unbestimmte Zeit verschieben müssen. Wir gehen aber beispielsweise jetzt davon aus, dass ab Sommer alles normal stattfinden wird. Wir hackeln also weiter", so Vögel. Das Vorgehen der Regierung könne er aber nachvollziehen. "Ich nehme schon an, dass sie wissen, was sie machen. Das ist ja kein Kindergarten", meinte er mit Verweis auf das Coronavirus.

Walter Egle, CEO des Konzert- und Showveranstalters Showfactory, sprach von "einem Wahnsinn für die Unterhaltungsbranche". Bei ihm seien in den kommenden Wochen konkret 14 Termine betroffen. "Wir werden nun versuchen, diese zu verschieben." Dass müsse natürlich in Abstimmung mit den jeweiligen Partner passieren. "Es ist aber die einzige Lösung, um den Schaden so gering wie möglich zu halten. Wir kennen es ja aus der Schweiz und haben auch mit einer Begrenzung ab 1.000 Menschen gerechnet. Aber das ist jetzt natürlich schon heftig."

Das große Problem für die Veranstalter laut Egle: "Die Ausfallversicherung greift im Falle von Pandemien und Epidemien nicht." In der Schweiz habe der Showveranstalter beobachtet, dass seit der Publikumseinschränkung auch der Vorverkauf um 60 Prozent eingebrochen sei. "Die Gesundheit geht vor. Aber so etwas hat die Welt noch nicht gehabt." Die Schäden für die Branche gehe aus seiner Sicht "in die Millionen". "Es wird sicherlich ein Mörderproblem für alle. Momentan gibt es viel Unsicherheit in der Bevölkerung - und das trägt nun dazu bei", kommentierte er die Politentscheidung.

"Besondere Zeiten erfordern besondere Maßnahmen", heißt es wiederum in einem Statement von Konzertveranstalter Arcadia Live. "Generell gilt, dass wir gemeinsam mit den KünstlerInnen an Nachholterminen arbeiten und bereits erworbene Karten auch für den neuen Termin Gültigkeit behalten. Bei Absagen können die Tickets an den jeweiligen Vorverkaufsstellen - wo sie gekauft wurden - retourniert werden." Bei Arcadia Live sind bis Anfang April 18 Konzerte betroffen.

Kino

Die Kinos werden im März deutlich leerer sein – doch der Betrieb bleibt aufrecht: Man werde die Anzahl der verfügbaren Plätze je Filmvorstellung auf hundert begrenzen, erklärten einige Betreiber. Die Cineplexx-Kette, zu der auch die UCI-Kinos gehören, geht noch einen Schritt weiter: Zwischen verkauften Plätzen soll hier immer ein Sitz frei bleiben, die Reservierungsplattform sei schon dafür ausgelegt.

Das Haydn-Kino wird sich ebenfalls bemühen, die Besucher so zu setzten, dass es zwischen den verkauften freie Plätze gibt. Pro Vorstellung werdne nur mehr 99 Tickets verkauft. Die Beginnzeiten der Vorstellungen werden gestaffelt, damit die Menschen im Foyer ausreichend Abstand voneinander haben. Die Anzahl der Vorstellungen bleibt vorerst unverändert.

Im Gartenbaukino hätte am 11. März die Eröffnung des Tricky Women Filmfestivals stattfinden sollen. Diese hätte dem Kino, das 736 Plätze fasst, ein volles Haus gebracht, kann aber freilich nicht stattfinden. Pro Vorstellung werden nur mehr maximal 100 Personen zugelassen.

Festivals

Die Rauriser Literaturtage (25. bis 29. März) werden auf das kommende Jahr verschoben. Auch mit einer Absage des Diagonale-Filmfestivals in Graz (24. bis 29. März) wird fix gerechnet. Hier dürfte man aber vor allem aus versicherungsrechtlichen Gründen auf die für heute Nachmittag erwartete konkrete Formulierung und Ausfertigung des Regierungs-Erlasses warten.

Das Festival Nextcomic von 12. bis 21. März in Linz, Traun, Leonding und Steyr sagt einige seiner größeren Veranstaltungen ab, für Individualbesuche sind die Ausstellungen aber an allen Festivaltagen geöffnet.

Das Theaterfestival Bloody Crown in Wr. Neustadt wird stattfinden: Die Säle sind klein genug. Die Uraufführung von Olga Flors modernem Lady-Macbeth-Text „Die Königin ist tot“ am Donnerstag kann somit über die Bühne gehen.

Museen

Die Bundesmuseen berieten am Dienstag ein gemeinsames Vorgehen – unklar war nämlich noch, inwiefern der Erlass, der ausdrücklich Veranstaltungen betreffen soll, sich auf den Museumsbetrieb auswirkt. Massenandrang herrsche im Moment ohnehin keiner, hieß es aus der Albertina: Schulklassen und Touristengruppen bleiben aus. Die Eröffnung der neuen Dependance Albertina modern am Donnerstag war zunächst auf einen kleinen Kreis mit Leihgebern und Künstlern beschränkt worden, wurde dann aber ganz abgesagt: Auch der „kleine Kreis“ hätte die hundert-Personen-Grenze weit überschritten. Für Besucher soll die Albertina modern ab Freitag normal geöffnet sein.

Das KHM wird die vier Termine von „Ganymed in Power" im März verschieben, Ersatzvorstellungen sind geplant.

Das Universalmuseum Joanneum hat in Abstimmung mit dem Grazer Gesundheitsamt festgelegt, den Museumsbetrieb aufrecht zu erhalten, es werde allerdings darauf geachtet, dass sich nicht mehr als 100 Personen gleichzeitig in den Ausstellungsräumen aufhalten.

Was findet noch statt?

Profitieren nun die kleinen Kulturstätten? Nicht unbedingt, sagen die Betreiber – schließlich verunsichere das Virus auch deren Publikum. Weiterhin bespielt werden jedenfalls das Theater Bronski & Grünberg, der Dschungel Wien, das Theater Drachengasse, das Kosmos Theater – und das Kabarett Niedermair, das exakt hundert Sitzplätze hat. Weil Personal und Künstler wohl mitgerechnet werden müssen, werden nur einzelne Plätze gesperrt.

Das Kulturleben in den Bundesländern

Steiermark: auf allen Bühnen von Oper Graz, Schauspielhaus Graz, Next Liberty Kinder- und Jugendtheater sowie den Grazer Spielstätten (Orpheum, Dom im Berg, Schloßbergbühne Kasematten) sind ab sofort bis Anfang April 2020 alle Veranstaltungen abgesagt. Der Musikverein für Steiermark wird sämtliche Veranstaltungen im März 2020 auf die nächste Saison 2020/21 verschieben.

Salzburg: Am Salzburger Landestheater fallen ab dem heutigen Dienstag bis zum 3. April insgesamt 34 Aufführungen im großen Haus sowie in den Kammerspielen aus. Darunter fällt auch die Premiere des Großprojekts "Mysterien. Ein Salzburger großes Welttheater", die auf einen noch nicht genannten Termin verschoben wird. Auch die Philharmonie Salzburg verschiebt bis zum 3. April alle Konzerte auf spätere Zeitpunkte. Die Tickets behalten ihre Gültigkeit. Man gehe im Moment davon aus, dass ab dem 4. April wieder Konzerte stattfinden können.

Oberösterreich: Das Landestheater Linz sagt die Vorstellungen in allen Häusern im März ab. Auch das Brucknerhaus, wo die Uraufführung von Franzobels "Hanni" verschoben wurde, ist betroffen, ebenso gab es bereits Veranstaltungsabsagen beim Posthof. Das Linzer Theater Phönix reduziert vorerst die Zahl der Plätze auf rund 85, damit inklusive Schauspielern und Personal die 100-Personen-Grenze nicht überschritten werde. Über etwaige Absagen werde am Mittwoch entschieden.

Burgenland: Die Kultur-Betriebe Burgenland GmbH stellen den Spielbetrieb vorläufig bis Anfang April ein. Betroffen sind die Kulturzentren (Eisenstadt, Oberschützen und Güssing), Liszt-Zentrum und Liszt-Haus in Raiding sowie Schloss Tabor, das Landesmuseum, die Landesgalerie und das Haydn-Haus Eisenstadt. Auch der erste Zyklus des bevorstehenden Liszt-Festivals in Raiding von 19. bis 29. März sei somit abgesagt.

Tirol: Im Tiroler Landestheater sind bis einschließlich 31. Märzalle Vorstellungen abgesagt. Auch die Symphoniekonzerte des Tiroler Symphonieorchesters Innsbruck, die Meister- und Kammerkonzerte sowie alle Veranstaltungen im Haus der Musik sind auf Eis gelegt. Hinzukommen laut Landestheater auch alle mobilen Veranstaltungen, Führungen im Tiroler Landestheater und im Haus der Musik Innsbruck, sämtliche theaterpädagogischen und musikpädagogischen Angebote, Spielgruppen, Workshops und die Proben des Kinderchores. Auch im Innsbrucker Kulturveranstaltungszentrum Treibhaus bleiben die Schotten in Sachen Vorstellungen und Konzerten vorerst dicht: Sämtliche Veranstaltungen bis Ostersonntag sind abgesagt.

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(APA/red.)

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