Lokalkritik

Testessen im Dogenhof

(c) Christine Pichler
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Das Konzept mit Feuer vs. Roh ist State of the art, die Umsetzung (noch?) nicht ganz.

Vorbeiflanierer, die nicht mit der Dogenhof-Eröffnung vertraut sind, müssen wohl zweimal hinschauen. War dieses Lokal schon da oder nicht? Für ­Florian Kaps, Chef des auch international reüssierenden Analogkultur-Zentrums Supersense gleich daneben, hätte „dieses Lokal“ schon viel früher da sei können. Jahrelang hatte er auf die Gelegenheit gewartet, das abgewetzte Café Dogenhof neben seiner Prachtlokalität übernehmen zu können. Vorbild für den Dogenhof, das Haus, mit seinen Spitzbögen war Ende des 19. Jahrhunderts übrigens die Ca’ d’Oro am Canal Grande. Nach der Übernahme des Cafés Dogenhof nun brach man die Wand zum Supersense durch und vereinte die zusammengehörenden Ensembleteile. Plafond und Wände des Dogenhof-Abschnitts bekamen ein höchst zeitgemäßes Grüngrau verpasst, diverse Mitstreiter blicken als Großformat-Polaroids auf das Geschehen herab, Kupferlampenschirme schweben über den Köpfen, und eine massive, lange Holzarbeitsbudel dominiert die ­straßenseitige Flanke. Gut zu wissen: Die Tische stehen eng (in Coronavirus-Zeiten eine von manchen sicher mit scheelerem Blick zur Kenntnis genommene Tatsache), und bis die eigene Garderobe unter vielen anderen wieder das Licht des Lokals erblickt, kann es dauern.

(c) Christine Pichler

Analog-Verfechter Kaps wollte auch für sein neues Lokal etwas Ursprüngliches: Als Zentrum des Dogenhofs ließ er einen Holzofen samt Grill installieren, aus dem alle warmen Speisen kommen sollen – der Rest der Speisekarte: explizit roh. Ein State-of-the-Art-Konzept, das wie auch das Supersense im internationalen Vergleich brillieren könnte. Die Ausführung allerdings ist noch nicht so weit. Aus der rohen Abteilung kommen ein Ceviche vom Saibling (dieser Fisch ist für das Fruchtsäuern generell eine ganz schlechte Wahl, sein Fleisch ist viel zu zart und wird gatschig) mit Apfel sowie ein Tatar von der alten Milchkuh mit rohen Pilzen. Beide Gerichte (je 13  Euro) könnte man mit gutem Willen als subtil bezeichnen – Aroma darf man eben kaum eines erwarten. Die 8,50 Euro für den konventionell sauren kleinen Rote-­Rüben-Salat mit einem Klecks Zitronen­joghurt kann man sich sparen, und auch der Umgang mit dem Feuer will noch gelernt werden: Die Hokkaidokürbisspalten zum Junggockel zum Teil halb roh, das Schweinskotelett (offenbar beste Rohware) dafür komplett trocken. Wenn man derlei in den Griff bekommt, ist der Dogenhof auch dank der spannenden Weinauswahl eine tolle neue Adresse.

Info

Dogenhof, Praterstraße 70, 1020 Wien, Tel.: +43/(0)1/969 08 32 15, Restaurant: Mo–Sa, 9.30–24 Uhr.

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("Die Presse - Schaufenster", Print-Ausgabe, 13.03.2020)

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