Formel 1

Sebastian Vettels letzte Chance

Sebastian Vettel hofft auf einen guten Saisonstart in Melbourne.
Sebastian Vettel hofft auf einen guten Saisonstart in Melbourne.(c) imago images/Independent Photo A (Federico Basile / IPA / IPA via)
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Im vorerst letzten Jahr bei Ferrari zählt für den Deutschen nur der WM-Titel. Doch Vettel fährt auch um seine Zukunft beim Traditionsrennstall, sein größter Gegner sitzt im gleichen Auto.

Melbourne. Noch gibt es grünes Licht für das erste von 22 Rennen der neuen Formel-1-Saison. Mit 80.000 Zuschauern rechnen die Veranstalter in Melbourne bei Qualifying (Samstag, 7 Uhr MESZ) und Grand Prix (Sonntag, 6.10 Uhr MESZ, je ORF 1), zumindest mit einem Maßnahmenkatalog wurde auf die Coronavirus-Krise reagiert.

Auch die von roten Planen bedeckte Fracht von Ferrari wurde also dieser Tage auf dem Kurs im Albert Park von Gabelstaplern entladen. Ferrari hat seinen Sitz im norditalienischen Maranello und steht unter besonderer Beobachtung (wie auch Alpha Tauri mit Sitz in Faenza und der italienische Reifenhersteller Pirelli). Von einer „schwierigen Zeit für Italien und die ganze Welt“ sprach Teamchef Mattia Binotto in Melbourne.

Immerhin seine beiden Piloten leben außerhalb Italiens, Sebastian Vettel im Schweizer Kanton Thurgau, Charles Leclerc in Monaco. „Sie werden auf demselben Level sein, sie können beide darum kämpfen, vorn zu sein“, erklärte Teamchef Binotto mit Bezug auf seine Fahrer-Paarung.
Vettels Nummer-eins-Status bei Ferrari ist also längst aufgehoben, zu viele untypische Fehler sind dem erfahrenen Deutschen, der mit Red Bull von 2010 bis 2013 die Formel 1 beherrscht hatte, in den vergangenen beiden Jahren unterlaufen. Zu stark war auch die Premierensaison des 22-jährigen Leclerc. Der Jungstar lag bei den Siegen (2:1) vor dem inzwischen 32-jährigen Vettel, in den Qualifikationsduellen (12:9) und auch im WM-Klassement (4.:5.). Vor allem hat er Ferrari im Vorjahr in Monza den ersten Heimsieg seit 2010 beschert. Leclerc muss in seinem zweiten Ferrari-Jahr zwar seine Leistungen bestätigen, er steht aber längst für die Zukunft der Italiener, nicht umsonst erhielt er einen Vertrag bis Ende 2024.

Vettels Kontrakt hingegen läuft nach dieser Saison aus. Es ist sein sechstes Ferrari-Jahr, nun muss es endlich klappen mit dem WM-Titel in Rot. Einiges spricht vor dem Saisonstart in Australien für ihn. Etwa dass der neue Ferrari SF1000 nicht mehr so unruhig wie das Vorgängermodell sein dürfte, oder dass Titelverteidiger Mercedes in den Tests unerwartete Motorprobleme offenbart hat. Auch setzte die Scuderia nach der enttäuschenden Saison 2019 auf Kontinuität, Teamchef Binotto durfte einigermaßen ungestört an der Weiterentwicklung des Autos arbeiten.

Mehr noch aber spricht gegen Vettels Titelmission. Da ist zum einen Leclerc, der nun von Beginn an viel Druck ausüben wird und Team-intern an Ansehen gewonnen hat. Doch selbst wenn Vettel im Teamduell die Oberhand behalten sollte, hat er in Lewis Hamilton noch ein ganz anderes Problem. Der Mercedes-Pilot will sich nicht entthronen lassen und heuer zum siebenten Mal Weltmeister werden – wie Rekordmann Michael Schumacher. Und ob der Ferrari-Rennwagen der ganz große Wurf ist, um Hamilton und Mercedes zu stürzen, ist fraglich. Vettels Ferrari hat sich in den jüngsten Tests in Barcelona zwar in den Kurven deutlich schneller gezeigt, aber auf den Geraden an Speed eingebüßt.

Bevor die Saison in Melbourne anhebt, gab es jedenfalls schon erste Aufreger um die Scuderia. Als nach jahrelanger Überlegenheit von Mercedes der Ferrari-Antrieb im Vorjahr plötzlich bis zu einer halben Sekunde schneller gewesen war, hatten Gerüchte über regelwidrige Tricksereien die Runde gemacht. Der Weltverband FIA hat nach einer Untersuchung mit Ferrari Stillschweigen vereinbart. Die anderen Teams zeigten sich „überrascht und geschockt“, schließlich musste selbst die FIA einräumen, mögliche Ferrari-Tricksereien nicht endgültig ausschließen zu können. Vor dem Saisonstart bleibt damit der Verdacht.

Tückische Details

Unbeirrt davon glaubt Vettel weiter an seine Chance, der erste Ferrari-Weltmeister seit Kimi Räikkönen 2007 zu werden. „Mein WM-Auftrag ist klar“, versicherte er. In seinem vorerst letzten Vertragsjahr fährt er aber auch um die eigene Zukunft. Ob er seine hartnäckige Fehlerserie beenden konnte? „Es sind immer die Details, kleine Anpassungen, nichts Größeres“, sagt er. „Ich muss nicht anders fahren, ich weiß, wie man fährt.“ (joe)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.03.2020)

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