Corona-Maßnahmen

Sind 100 schon zu viel? So streng sieht es fast nur Österreich

Das Volkstheater ist derzeit sanierungsbedingt ohnehin geschlossen – jetzt bleiben auch die anderen großen Bühnen des Landes leer: Die Regierung hat ein 100-Personen-Limit für öffentliche Veranstaltungen verhängt.
Das Volkstheater ist derzeit sanierungsbedingt ohnehin geschlossen – jetzt bleiben auch die anderen großen Bühnen des Landes leer: Die Regierung hat ein 100-Personen-Limit für öffentliche Veranstaltungen verhängt.(c) APA/HERBERT NEUBAUER
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Ein Limit von 100 Besuchern für Veranstaltungen haben bisher nur Wien und Prag verhängt. Die Schweiz bleibt bei ihrer Grenze von 1000, Frankreich und einige deutsche Bundesländer haben sie eingeführt. In Italien freilich mussten alle Kultureinrichtungen schließen.

Nicht nur Fußballspiele kommen zur Not ohne Zuschauer aus. Auf der Bühne des La Fenice, dem Opernhaus in Venedig, spielte vorige Woche ein Streichquartett Beethoven, vor leeren Reihen und Logen. Das Konzert wurde per Video-Streaming live übertragen und auf Youtube gestellt. „Wenn das Publikum nicht zu uns kommen kann, versuchen wir zum Publikum zu kommen“, erklärte Intendant Fortunato Ortombina. Mittlerweile sind im ganzen Land alle Kultureinrichtungen geschlossen: Theater, Kinos, Konzertsäle, Museen. Dominque Meyer, bisher Direktor der Wiener Staatsoper, hatte sich seinen Einstand an der Mailänder Scala am 1. März sicher anders vorgestellt.

Freilich ist Italien das vom Coronavirus bei Weitem am stärksten betroffene Land in Europa. Was aber drakonische Einschränkungen für Veranstaltungen betrifft, folgt an zweiter Stelle bereits Österreich – mit der generellen 100-Besucher-Indoor-Schwelle, die auch kleinere Kultureinrichtungen zwingt, ihre Pforten zu schließen oder Konzerte abzusagen. Wobei sich die Regierung in Wien ihre Pionierrolle mit jener in Prag teilt: Auch Tschechien hat am Dienstag ein 100-Personen-Limit für öffentliche Veranstaltungen verhängt. Davon betroffen sind freilich nicht nur Kultur- und Sportevents, sondern auch die laufende Serie von Demonstrationen gegen den Ministerpräsidenten Andrej Babiš.

Kulturtourismus nach München?

Weniger weit geht man in Deutschland, wo die einzelnen Bundesländer entsprechende Maßnahmen festlegen. Bayern, Hessen und Nordrhein-Westfalen haben am Dienstag Veranstaltungen mit mehr als 1000 Teilnehmern verboten – also erst ab jener Grenze, mit der Kulturschaffende bisher auch hierzulande als „Worst Case“ gerechnet hatten. Abzuwarten bleibt, ob nun ein reger Theater- und Konzerttourismus von Österreichern nach München einsetzt, wenn die Häuser dort ihren Spielbetrieb aufrechterhalten. Auch in Frankreich und der spanischen Hauptstadt Madrid hält man die Grenze von 1000 für ausreichend. Die Stadt Berlin sagt Termine mit mehr als 500 Teilnehmern in staatlichen Kulturinstitutionen ab. Die polnischen Einrichtungen bleiben geöffnet. Vorerst zumindest. Denn wie rasant sich die Einschätzung ändern kann, zeigt sich am Beispiel Schweiz: Als der Bundesrat in Bern, als Vorreiter in Europa, Ende Februar Veranstaltungen mit über 1000 Teilnehmern verbot, hielten das viele noch für eine überzogene Maßnahme. Heute wirkt diese – bis dato nicht verschärfte – Regelung vergleichsweise großzügig. Nur einige kleinere, ländliche Kantone haben sie strenger ausgelegt. Der Extremfall ist Chur, wo schon 50 Personen als gefährlicher Besucheraufmarsch gelten. Weitaus gelassener gibt man sich im Kanton Zürich. Auch große Klubs halten dort für Unerschrockene in Feierlaune ihre Türen weiterhin geöffnet.

In Italien hingegen warten viele Theater- und Konzertbesucher darauf, die Kosten für ihre Karten oder Abos rückerstattet zu bekommen. Der Staat entschädigt nur für die Anfahrt in öffentlichen Verkehrsmitteln. Über die Tickets selbst entscheiden die Organisatoren. Die Scala etwa vertröstet ihre Besucher noch, die Oper in Rom hat die Rückzahlung schon zugesagt. Entsprechend kontaktiert wurden auch die Besitzer von Karten für die große Ausstellung zum 500. Todestag von Raffael, die eben erst in den Stallungen des Quirinals angelaufen ist.
Hier zeigt sich deutlich, um welche wirtschaftlichen Einbußen es vor allem im Tourismus geht: Im Vorverkauf hatten sich 60.000 Kunstfreunde aus aller Welt ihre Eintrittskarte gesichert – ein neuer Rekord. Nur mit Wehmut erinnert man sich seiner.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.03.2020)

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