Morgenglosse

Der Stärkere sitzt momentan in Moskau

Die Bilder vom Treffen Erdoğan-Putin in Moskau kursieren noch immer im Netz, denn die Machtdemonstration des russischen Präsidenten war unmissverständlich.

Das Treffen liegt schon fast eine Woche zurück: Der russische Präsident, Wladimir Putin, empfing in Moskau seinen türkischen Amtskollegen, Recep Tayyip Erdoğan, um über die katastrophale Lage im syrischen Idlib zu beraten. Beide Länder sind im Bürgerkriegsland militärisch involviert, und in Moskau einigten sich die Verhandler auf eine Waffenruhe. Damit wäre über dieses Treffen eigentlich alles gesagt.

Eigentlich. Aber seit Tagen arbeiten sowohl Russland, als auch die Türkei kollektiv die Bilder und Videoaufnahmen dieser Zusammenkunft auf. Es geht um die Frage, wer in diesem türkisch-russischen Kräftespiel mehr Macht hat. Es geht um die Wirkung der Bilder, die Putins Presse seit Tagen gezielt einzusetzen scheint.

Erstens: Das große Warten. Vor dem Treffen in Moskau nahmen Kameras die türkische Delegation in einem Nebenzimmer auf. Erst Tage später wurden die Aufnahmen über russische Medien unter dem Titel „Putin lässt Erdoğan zwei Minuten vor seiner Tür warten“ verbreitet. Zu sehen ist eine nervös wirkende Delegation und ein missmutig blickender Erdoğan. Die Botschaft ist unmissverständlich: Ankara braucht Moskau mehr als umgekehrt. Ankara ist der Bittsteller.

Die Verbreitung des Videos kam in der türkischen regierungstreuen Presse gar nicht gut an. In einem Kommentar ist von „Montage“ die Rede, in einem anderen von „Respektlosigkeit“. Außenminister Mevlüt Çavuşoğlu sprach von „dunkler Propaganda“. Zudem platzierte Putin die türkische Delegation während der Pressekonferenz unter der Statue von Katharina der Großen, die die Osmanen während der russisch-türkischen Kriege mehrmals besiegte.

Zweitens: Der Handschlag. Während der allgemeinen Begrüßung vor Beginn der Pressekonferenz empfing Putin zunächst Erdoğan und wies dem Amtskollegen seinen Platz zu. Anschließend rief er mit einer wirschen „Kommt her!“-Handbewegung die türkischen Minister und Berater praktisch zu seinen Füßen. „Wie Schulbuben kamen die Minister zu Putin“, heißt es etwa in einem Kommentar zu dieser merkwürdigen Szene. Erst nach einigen Sekunden erhob sich ein verwirrter Erdoğan vom Platz, um seinerseits den russischen Ministern die Hand zu geben. In (türkischen) sozialen Medien regnet es seit Tagen Häme über diese „peinlichen Momente“.

Fußnoten bleiben unerwähnt

Putin ließ und lässt also die türkische Delegation deutlich wissen, wer in Syrien das Sagen hat. Tatsächlich ist die Lage in Idlib trotz der (eher brüchigen) Waffenruhe keineswegs geklärt. Ankara unterstützt die Rebellen gegen Machthaber Bashar al-Assad, Moskau hingegen Assad selbst. Während sich Erdoğan nach seiner Rückkehr nach Ankara zufrieden mit dem erzielten Waffenstillstand zeigen musste, blieben die Fußnoten der Moskauer Vereinbarung in der türkischen Presse unerwähnt – etwa, dass die von Assad zuletzt gewonnenen Gebiete in Idlib unter seiner Kontrolle bleiben. Der Stärkere in diesem Machtspiel sitzt momentan in Moskau. Das bezeugen auch die Bilder.

Die türkische Delegation, Katharina die Große - und die Präsidenten Erdogan und Putin
Die türkische Delegation, Katharina die Große - und die Präsidenten Erdogan und PutinAPA/AFP/POOL/PAVEL GOLOVKIN

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