Crashkurs Arbeitsrecht

Corona: Kann ich zu Hause bleiben, um mein Kind zu betreuen?

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Folge 75. Claudia K., Angestellte und Mutter, hat viele Fragen. Die drängendste: Kann sie daheim bleiben, wenn die Schulen geschlossen werden? Mit Update nach den Informationen der Bundesregierung zum 12. März.

Claudia K., Angestellte und Mutter einer siebenjährigen Tochter, ist verunsichert. Einer ihrer Arbeitskollegen ist vor ein paar Tagen aus Italien zurückgekehrt, zeigt keine Krankheitssymptome und ist daher zur Arbeit erschienen. Sie fürchtet sich vor Ansteckung am Arbeitsplatz. Zudem steht die Schließung von Schulen kurz bevor.

Viele Fragen drängen sich auf: Kann ich von der Arbeit zu Hause bleiben, weil ich mich vor Ansteckung fürchte? Habe ich Anspruch auf Home Office? Kann ich die Zusammenarbeit mit dem Kollegen verweigern? Welche Schutzmaßnahmen muss mein Arbeitgeber treffen? Wie kann ich die Kinderbetreuung im Falle der Schulschließung gewährleisten? Bekomme ich weiterhin mein Gehalt, wenn Sperren ausgeweitet werden und ich in einem betroffenen Gebiet festsitze?

Kein eigenmächtiges Fernbleiben

Eigenmächtiges Fernbleiben von der Arbeit ist unzulässig. Arbeitnehmer riskieren diesfalls eine Entlassung wegen unentschuldigten Fernbleibens. Ausnahmen davon sind allenfalls dann denkbar, wenn am konkreten Arbeitsplatz objektiv eine erhöhte Ansteckungsgefahr besteht und der Arbeitgeber keine geeigneten Schutzmaßnahmen trifft.

Home Office

Ein Anspruch auf eine Tätigkeit im Home-Office besteht nur dann, wenn der Dienstvertrag bereits eine entsprechende Vereinbarung enthält oder die Verlegung des Arbeitsortes zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber aktuell vereinbart wurde. Häufig enthalten Dienstverträge sogenannte Versetzungsklauseln, mit denen sich der Arbeitgeber die (vorübergehende) Änderung des Arbeitsortes vorbehält. Diesfalls wäre der Arbeitgeber einseitig berechtigt, eine Tätigkeit im Home-Office anzuordnen.

Weigerung der Zusammenarbeit

Arbeitnehmer sind nicht berechtigt, die Arbeit mit bestimmten Kollegen zu verweigern, die keine Symptome zeigen, weil sie glauben, dass diese möglicherweise infiziert sein könnten. Ein unbegründetes Verweigern der Zusammenarbeit stellt eine Arbeitsverweigerung dar, die zur Entlassung führen kann.

Schutzmaßnahmen

Aufgrund der arbeitsrechtlichen Fürsorgepflicht müssen Arbeitgeber zweckmäßige Schutzmaßnahmen treffen, um eine Ansteckung von Arbeitnehmern bestmöglich hintanzuhalten. Zu diesen Maßnahmen zählen neben Hygieneempfehlungen (Händewaschen, Vermeiden von Grußritualen, mindestens 1 bis 2 Meter Abstand halten, etc.), etwa das Bereitstellen von Desinfektionsmöglichkeiten, die Vermeidung von nicht unbedingt notwendigen Besprechungen mit größerer Personenanzahl sowie die Vermeidung bzw. vorausschauende Planung von Dienstreisen.

Bei rückkehrenden Arbeitnehmern aus vom Coronavirus betroffenen Gebieten ist Arbeitgebern – selbst wenn der betreffende Arbeitnehmer keine Symptome zeigt – zur Hintanhaltung potentieller Gefahren eine Dienstfreistellung bzw. die Vereinbarung von Home Office zu empfehlen.

Kinderbetreuung bei Schulschließung

Im Falle von Schul- bzw. Kindergartenschließungen kann ein persönlicher Dienstverhinderungsgrund vorliegen. Angestellte haben bei Vorliegen eines Dienstverhinderungsgrundes Anspruch auf Entgeltfortzahlung für eine verhältnismäßig kurze Zeit, wenn sie ohne Verschulden aus wichtigen persönlichen Gründen (dazu zählen nach herrschender Auffassung u.a. familiäre Pflichten wie Kinderbetreuung) ihre Arbeit nicht antreten können. Das Vorliegen eines Dienstverhinderungsgrundes ist daher im jeweiligen Einzelfall zu prüfen und hängt insbesondere vom Alter und Reifegrad des Kindes und vom Vorliegen alternativer Betreuungsmöglichkeiten ab. Die Dienstverhinderung muss dem Arbeitgeber rechtzeitig gemeldet und nachgewiesen werden.

Update per 12. März: Nach den derzeit beabsichtigten Maßnahmen wird der Schulbetrieb für die unter 14-Jährigen zwar grundsätzlich eingestellt, es soll aber dennoch Kinderbetreuungsmöglichkeiten geben. Durch diese Betreuungsmöglichkeiten entfällt im Ergebnis ein Dienstverhinderungsgrund mit Entgeltfortzahlungsanspruch und sind Eltern, die ihre Kinder im Sinne der Empfehlungen zu Hause betreuen möchten, auf den Goodwill des Arbeitgebers angewiesen bzw. müssten für den Zeitraum der Schließung eine Urlaubsvereinbarung treffen.

Verkehrsbeschränkung nach dem Epidemiegesetz

Für Bewohner von Epidemiegebieten können behördliche Verkehrsbeschränkungen verfügt werden. Eine daraus resultierende Dienstverhinderung ist dem Arbeitgeber unverzüglich mitzuteilen. Der Arbeitnehmer hat diesfalls Anspruch auf Entgeltfortzahlung. Der Bund hat dem Arbeitgeber das geleistete Entgelt (u.a. einschließlich des Dienstgeberanteils in der Sozialversicherung) auf Antrag zu ersetzen.

Fazit

  • Wenn am Arbeitsplatz objektiv keine besonderen Ansteckungsrisiken vorliegen und der aus Italien zurückgekehrte Arbeitskollege keine Krankheitssymptome aufweist, kann Claudia K. der Arbeit weder Fernbleiben noch die Zusammenarbeit mit dem betreffenden Kollegen verweigern. Andernfalls riskiert sie eine Entlassung.

  • Home Office muss immer vereinbart sein. Claudia K. kann daher ihre Tätigkeit nicht einseitig aus dem Home Office erbringen. Enthält der Dienstvertrag eine Versetzungsklausel, kann arbeitgeberseitig die (vorübergehende) Änderung des Arbeitsortes angeordnet werden.

  • Schließt die Schule, die die Tochter von Claudia K. besucht, und hat Frau K. keine alternativen Kinderbetreuungsmöglichkeiten, hat sie grundsätzlich das Recht, für eine verhältnismäßig kurze Zeit gegen Entgelt bei ihrer Tochter zu Hause zu bleiben.

    Update per 12. März: Ungeachtet der Schulschließungen werden nach den derzeit vorgesehenen Maßnahmen jedoch Betreuungsmöglichkeiten vorliegen, sodass ein Dienstverhinderungsgrund mit Entgeltfortzahlungsanspruch entfällt. Will Claudia K. ihre Tochter selbst zu Hause betreuen, wäre sie daher auf den Goodwill ihres Arbeitgebers angewiesen bzw. müsste eine Urlaubsvereinbarung abschließen.
  • Sollte das Wohngebiet von Frau K. behördlich gesperrt werden und kann sie daher nicht zur Arbeit gelangen, hat sie dies ihrem Arbeitgeber unverzüglich mitzuteilen. Claudia K. hat diesfalls Anspruch auf Entgeltfortzahlung und der Arbeitgeber einen Ersatzanspruch gegenüber dem Bund.

Bettina Poglies-Schneiderbauer ist Rechtsanwältin und Partnerin bei Saxinger, Chalupsky & Partner Rechtsanwälte GmbH (SCWP Schindhelm) und berät in allen Fragen des kollektiven und individuellen Arbeitsrechtes und des Personalwesens.

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