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Migrationskrise: Erdoğan wirft Griechen "Nazimethoden" vor

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Der türkische Präsident verschärft seinen Ton gegenüber Europa ungeheuer, spricht von „Barbaren" und Faschisten" und stellt einen neuen Massenansturm nach Westen in den Raum. Derweil gab es einen Zwischenfall zwischen türkischen und griechischen Küstenwachbooten.

Im Migrationsstreit mit der EU hat der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan den Ton gegenüber Europa ungeheuerlich verschärft: Er werde die Grenzen der Türkei für Migranten weiter offen halten, bis die EU alle seine Forderungen erfüllt habe, sagte er am Mittwoch in einer Fernsehansprache. Und die Sperrmaßnahmen der Griechen an der türkisch-griechischen Grenze verglich er tatsächlich mit dem Vorgehen der Nationalsozialisten.

"Bis alle Erwartungen der Türkei spürbar erfüllt sind, werden wir die Praxis an unseren Grenzen fortsetzen", sagte Erdoğan. Er nannte die Wiederaufnahme der Gespräche über die Visafreiheit für türkische Staatsangehörige in Europa, die Eröffnung neuer Kapitel im EU-Beitrittsprozess Ankaras, eine Modernisierung der Zollunion und zusätzliche finanzielle Unterstützung als Forderungen.

"Wir betteln niemanden an. Alles, was wir wollen, ist, dass die Versprechen, die unserem Land gegeben wurden, eingehalten werden", fügte er hinzu.

Der türkische Staatschef hatte die Grenzen seines Landes zur EU Ende Februar für geöffnet erklärt. Das sorgte für einen Migrantenansturm an der griechischen Grenze, weniger hingegen an jener zu Bulgarien. Griechische Polizei- und Militäreinheiten hielten die Grenzen konsequent geschlossen und drängten Menschen teilweise unter Einsatz von Tränengas und Wasserwerfern zurück. Es gab auch Berichte über scharfe Schüsse. Umgekehrt versuchten Migranten immer wieder, den Grenzzaun aufzuschneiden, warfen Steine, schossen mit professionellen Steinschleudern und gingen generell gewaltsam vor.

"Es gibt keinen Unterschied zwischen dem, was die Nazis getan haben, und den Bildern von der griechischen Grenze", sagte Erdoğan. Er bezeichnete die griechischen Verantwortungsträger zudem als "Barbaren" und "Faschisten".

Türkisches Ramm-Manöver auf See

Die griechische Küstenwache teilte unterdessen mit, dass eines ihrer Patrouillenboote von einem Schiff der türkischen Küstenwache gerammt worden sei. Bei dem Vorfall am Mittwochmorgen sei niemand verletzt worden. Derweil dementierte die griechische Regierung Berichte der "New York Times", wonach es ein "geheimes Lager" zur Festsetzung und Ausweisung von Migranten an der Grenze zur Türkei gebe.

Die Situation an der türkisch-griechischen Grenze hatte auch zu neuen Spannungen zwischen Ankara und Brüssel geführt: Die EU wirft der Türkei vor, die Migranten gegenüber Brüssel als Druckmittel zu missbrauchen. Die Türkei beschuldigt die EU, ihre Zusagen aus dem im März 2016 geschlossenen Flüchtlingsabkommen nicht einzuhalten.

Erdoğan gab in seiner Rede am Mittwoch zu, er habe die Grenzen auch geöffnet, um Europa zu drängen, mehr Hilfe im Syrienkrieg zu leisten. Die Türkei unterstützt die Gegner des syrischen Präsidenten Bashar al-Assad. Bei Gefechten mit von Russland unterstützten syrischen Regierungstruppen sind schon Dutzende Türken getötet worden.

„Zustrom übers ganze Mittelmeer"

"Mit der Erwärmung des Wetters im Frühjahr wird sich der Zustrom irregulärer Migranten, die nach Europa kommen, nicht auf Griechenland beschränken, sondern sich über das gesamte Mittelmeer ausbreiten", sagte Erdoğan. Er bekräftigte, dass die Türkei auf ein neues Abkommen mit Brüssel vor dem nächsten EU-Gipfel am 26. März hofft.

Die Türkei beherbergt bereits rund 3,6 Millionen Migranten und Flüchtlinge - die meisten davon Syrer. Ankara befürchtet im Zuge der Militäroffensive der syrischen Regierung zur Rückeroberung der letzten Hochburg islamistischer Milizen in Idlib eine weitere Fluchtbewegung.

Seit Freitag gilt eine Feuerpause in Syrien, die Erdogan mit Russlands Staatschef Wladimir Putin ausgehandelt hatte. Am Mittwoch forderte der türkische Präsident jedoch von der russischen Regierung, "Schritte" gegen angebliche Verletzungen der Feuerpause zu unternehmen. "Obwohl es hier und da nur kleine Zwischenfälle gibt, wird der Waffenstillstand allmählich verletzt", sagte Erdogan.

FPÖ fordert weitgehenden Bruch Europas mit den Türken

FPÖ-Klubobmann Herbert Kickl forderte derweil den sofortigen Abbruch der Beitrittsverhandlungen mit der Türkei, die Kündigung des Assoziierungsabkommens, das türkischen Bürgern in der EU enorme Privilegien einräume, sowie das Aus für den EU-Türkei-Flüchtlingsdeal.

"Erdoğan agiert wie ein Schutzgelderpresser. Mit dem Missbrauch des Asylrechts durch den türkischen Präsidenten und seine illegalen Migranten muss jetzt Schluss sein. Es reicht - das ist die einzige Sprache, die Erdoğan versteht", so Kickl laut Aussendung.

(APA/AFP)

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