Mehrheit ist mit dem Schulversuch insgesamt zufrieden. Fast die Hälfte ortet Nachholbedarf bei der individuellen Förderung. 46 Prozent der Befragten fordern aber Verbesserungen.
WIEN (pö). Die Neue Mittelschule (NMS) kommt grundsätzlich gut an. 80 Prozent der Eltern von Kindern an einer NMS geben dem Schulversuch die „Schulnote“ Eins oder Zwei. 53 Prozent sehen keinen Nachholbedarf bei dem Modell, mit dem seit zwei Jahren eine gemeinsame Schule bis 14 an jetzt aufgewerteten ehemaligen Hauptschulen erprobt wird. 46 Prozent der Befragten fordern aber Verbesserungen. Vor allem die individuelle Förderung von schwachen, aber auch von starken Schülern komme zu kurz. Das ergab eine „Elternumfrage“ des Ifes-Instituts, die im Auftrag des Unterrichtsministeriums gemacht wurde. Befragt wurden 500 Mütter und Väter von Schülern an Neuen Mittelschulen.
Präsentiert wurden die Ergebnisse am Donnerstag von Unterrichtsministerin Claudia Schmied (SPÖ). Sie betonte dabei ihre „große Freude“ über die positive Zwischenbilanz zur NMS.
Vier von fünf Befragten haben demnach einen „sehr guten“ oder „guten Eindruck“ von der „NMS insgesamt“, elf Prozent geben die „Schulnote“ Drei. Demgegenüber haben fünf Prozent einen „schlechten“ oder „sehr schlechten“ Eindruck von der NMS insgesamt. Besonders gut schneidet der Schulversuch ab, wenn es um das „Engagement der Lehrerinnen und Lehrer“ geht: 86 Prozent der Befragten geben dafür einen Einser oder Zweier. Auch das „Gesprächsklima zwischen Eltern und Lehrkräften“ (85 Prozent) sowie das „Schul- und Klassenklima“ (83 Prozent) werden besonders gut bewertet.
Dass 46 Prozent der Eltern noch Nachholbedarf bei der individuellen Förderung der NMS-Schüler sehen, schwächt allerdings das Hauptargument, mit dem Ministerin Schmied gegenüber dem Koalitionspartner ÖVP um eine österreichweite gemeinsame Schule bis 14 kämpft. Die NMS gilt als Pilotprojekt für eine solche Gesamtschule, die Schluss mit der Aufteilung der Zehnjährigen in Hauptschulen und AHS-Unterstufen machen soll. Werden die Schüler erst mit 14 getrennt, hätten alle – zum Beispiel auch Migrantenkinder – faire Chancen im Schulsystem, argumentiert die SPÖ. Die ÖVP hält offiziell noch an der Selektion mit zehn Jahren fest. Wissenschaftsministerin Beatrix Karl (ÖVP) hat sich aber bereits wie die SPÖ für eine gemeinsame Schule bis 14 ausgesprochen – für ein „Gymnasium für alle“. Bis Herbst sammelt sie sämtliche ÖVP-Positionen zum Thema, dann will die Partei ein neues Bildungskonzept vorlegen.
Eine Ausdehnung der NMS auf mehr als 320 Standorte, wie von Schmied gewünscht, lehne die ÖVP aber ab, bis der Schulversuch 2013/14 evaluiert werden könne, sagte Bildungssprecher Werner Amon nach Bekanntwerden der Elternumfrage zur „Presse“. Diese beweise, dass der komplette vierjährige Durchlauf der NMS genau geprüft werden müsse, ehe sie je nach Ergebnis bundesweit umgesetzt oder aber verhindert wird.
Für FPÖ-Bildungssprecher Walter Rosenkranz ist es nach dem Urteil vieler Eltern, dass es an den NMS zu wenig individuelle Betreuung gebe, unverständlich, dass Schmied bereits „Stimmung“ für die NMS mache. Vor 2014 könne diese gar nicht umfassend evaluiert werden, so Rosenkranz. Schmied sicherte nach der Kritik „Optimierungen“ am Fördersystem an den NMS zu.
Schweres Los für Migranten
Besonderen Nachholbedarf gibt es offenbar bei der Förderung von Kindern von Migranten. Diese haben es gemäß einer neuen OECD-Studie auf dem Arbeitsmarkt auch deutlich schwerer. Das gilt vor allem in Österreich und Deutschland. Probleme ergeben sich insbesondere für Migrantenkinder mit einer höheren Berufsausbildung oder mit akademischem Abschluss. Verantwortlich dafür könne die Einstellung der Arbeitgeber gegenüber Migranten sein, erklärte Studienautor Thomas Liebig.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.07.2010)