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Die Strände brauchen Hilfe

Horror. 40 bis 50  Milliarden Tonnen Sand werden weltweit jährlich verbaut. Aber auch Sturmfluten setzen dem Ökosystem Strand zu, wie hier auf Wangerooge.
Horror. 40 bis 50  Milliarden Tonnen Sand werden weltweit jährlich verbaut. Aber auch Sturmfluten setzen dem Ökosystem Strand zu, wie hier auf Wangerooge.(c) APA/dpa/Peter Kuchenbuch-Hanken
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Strände schmelzen jetzt schneller als Gletscher. Raubbau ist verantwortlich für den Sandfraß.

Die Strände brauchen Hilfe. Ob Miami Beach, Rios Copacabana oder die Adriaküste – sie überleben meist nur durch Sandaufschüttung. Neun von zehn Stränden der Erde sind in Gefahr. Zum Ausgleich der Verluste bewegen wir zwar enorme Sandmassen, doch renovierte Sandbänke erodieren um ein Vielfaches schneller, sind dankbare Opfer von Stürmen, taugen nicht als Puffer gegen Fluten. Ihre leichten Sandpartikel werden ins Meer verweht, schwimmen obenauf, verstopfen Korallen und Ökosysteme.

Verschiebung und Erosion gehören zum natürlichen Kreislauf. Doch nicht nur steigende Wasserspiegel sorgen für Sandfraß. Heute unterbinden Dämme, Stauseen und Kanäle den Sandtransport. Schaffen regulierte Flüsse nur noch einen Bruchteil der Sedimente zum Meer, fehlt es bald am Nachschub. Außerdem verändern sich die Strömungen durch künstlich gebaute Zuflüsse. Der Sand landet nicht mehr wie jahrtausendelang an der Küste. Verschärft wird die Krise vom illegalen Sandabbau und von legalen Saugpumpen in Flüssen und Meeren. Sand, zweitwichtigster Rohstoff der Welt nach Wasser, ist die Arbeitssubstanz der Baubranche mit ihrem jährlichen 5,5-Prozent-Wachstum. Die Weltnachfrage wächst jährlich um ein Zehntel. Betonproduktion benötigt natürlichen Quarzsand aus Flüssen – und nicht den feinkörnigen vom Meeresboden oder gar rundpolierte Körner aus der Wüste. Exporteur Marokko hat seine Strände schon zur Hälfte abgetragen. Indonesien hat 80 Inseln verloren. In Uganda verabschiedet sich der Boden des Viktoriasees zugunsten der Bauindustrie. Am schlimmsten ist die Situation in Indien. Die mächtige „Sandmafia“ betreibt Abbau, Lizenzfälschung, Korruption. Gestützt von der Politik, füttert sie die boomende Bau- und Export­branche. Uttar Pradeshs Sozialminister Rammurti Singh Verma ließ 2015 den hartnäckigen Journalisten Jagendra Singh, Aufdecker von Sandskandalen, verprügeln, mit Benzin übergießen und anzünden. In einem Video machte der Sterbende die Mörder kenntlich. Seine ­Kinder zogen die Anklage gegen Verma nach einem Vergleich zurück. Offiziell gilt Jagendra Singhs Tod als Suizid.

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("Die Presse - Schaufenster", Print-Ausgabe, 13.03.2020)

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