Randerscheinung

Unerbittlichere Auswahlverfahren

(c) Carolina Frank
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Der Medizin-Aufnahmetest ist ein weiterer Auswuchs der österreichischen Bildungslogik, wonach wir immer nur für die Schule, nie aber für das Leben lernen.

Der Mittlere ist also vorübergehend wieder zu Hause eingezogen. Er muss nämlich neben seinem Zivildienst für den Medizin-Aufnahmetest lernen, und das schafft er nicht, wenn er drei Stunden am Tag in Öffis versitzt (so lang braucht er nämlich tour-retour in seine WG, die ein bisschen außerhalb liegt). Damit ist unser Drei-Buben/Drei-Zimmer-Wechselspiel um eine neue Variante reicher. Der Mittlere hat wieder das größte Zimmer bezogen, das nun schon zum vierten Mal in drei Jahren den Bewohner wechselt. Der Medizin-Aufnahmetest ist übrigens ein weiterer Auswuchs der österreichischen Bildungslogik, wonach wir immer nur für die Schule, nie aber für das Leben lernen. Hier nur noch etwas enger gezogen, weil man sich nicht einmal mehr für ein Studium vorbereitet, sondern gar nur noch für ein sehr
spezifisches Test­verfahren. Das dann immerhin schonungslos offenlegt, wer sich am hartnäckigsten in die Testlogik hineinzugraben bereit gewesen ist. Ob das dann auch die besten Ärzte werden? Diese Testerei unter dem Vorwand, die Geeigneten zu suchen, um ja nichts Grundsätzliches am Bildungssystem ändern zu müssen, ist bei ­jungen Erwachsenen schon ärgerlich genug, an der Grenze zwischen Volksschule und Gymnasium richtet sie ­verlässlich nachhaltigen Schaden an. Knapp zehnjährigen Kindern wird die vermeintliche Wichtigkeit von Schularbeitsnoten eingetrichtert, an ein Lauter-Einser-Zeugnis in der vierten Klasse Volksschule werden gar Lebenschancen gehängt und in immer unerbittlicheren Auswahlverfahren Mädchen und Buben für begehrte Klassen im Gymnasium ausgesiebt. Würde mich wirklich interessieren, wie spektakulär die Bildungsbiografien jener Verantwortlichen ausschauen, die da mit versteinerter Miene diese Tests leiten und auswerten.

("Die Presse - Schaufenster", Print-Ausgabe, 13.03.2020)

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