Filme von Matías Piñeiro

Leichter leben und lieben mit Shakespeare

Le Studio
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Das Leben ist ein Theater: Der argentinische Regisseur Matías Piñeiro lässt seine Figuren durch Shakespeare-Dramen tänzeln und träumen. „Le Studio“ in Wien zeigt zwei Wochen lang seine Filme.

Dass die Welt Bühne ist und Menschen bloße Spieler: Eines der ausgeleiertsten Shakespeare-Zitate wurde selten so ernst genommen wie in den Filmen Matías Piñeiros. Seit Anfang der Nullerjahre dreht der 37-jährige Argentinier unscheinbare Leinwand-Preziosen, in denen Kunst und Leben unablässig ineinanderfließen.

Fast alle sind in einem Künstlermilieu angesiedelt, das zugleich geschlossen und gelöst wirkt: Junge Bohemiens, vorwiegend Frauen, umkreisen sich darin wie freie Radikale, gleiten leichten Fußes durch Liebeswirren und Theaterproben – alles mit Lust an der Freude, aber ohne nennenswerte Dramatik und Aufregung.

Die Werke Shakespeares und anderer Autoren dienen dabei als Scharnier für laufende Identitätskostümwechsel, die hier meist ohne Ankündigung und Erläuterung stattfinden. Auch Geschlechter und Beziehungspartner werden wie Handschuhe getauscht. In „Rosalinda“ (2011) ist es „Wie es euch gefällt“, dessen Handlungsgerüst der durchwegs charmante Darsteller- und Figurenfundus als Experimentierfeld für entspannte Selbsterkundung nutzt. „Viola“ (2012) tänzelt durch „Was ihr wollt“, „Hermia & Helena“ träumt seinen Sommernachtstraum in New York.

Wie bei Jacques Rivette, nur kürzer

Solche Titel sind Programm bei Piñeiro – abseits von Luft und Liebe scheint seine redseligen Heldinnen nichts zu bekümmern. Ihr Treiben gilt vornehmlich gepflegtem Müßiggang: im Grünen, auf Beifahrersitzen und in heimeligen Zimmern, wo sie tändeln, musizieren, fabulieren – und ganz allgemein das haben, was man eine nette Zeit nennt. Auch wenn ab und zu ein Herz gebrochen wird.

Die Zumutungen der profanen Realität, die nur in Form von Alltagsahnungen durchscheint, bleiben auf Abstand. Das kann einem auch auf die Nerven fallen: Haben diese Tagediebe nichts Besseres zu tun? Doch genau darin liegt der Reiz dieser seltsam schwerelosen Filme – in ihrer Hingabe an Freiheit und Frivolität der Fantasie, die jeder noch so beschwerlichen Wirklichkeit ein Schnippchen schlägt.

Stellenweise erinnern sie an das Schaffen des gleichfalls theateraffinen Nouvelle-Vague-Altmeisters Jacques Rivette. Doch wo dessen Filme oft mehrere Stunden in Anspruch nahmen, bringen Piñeiros Miniaturen das vielstimmige Gewusel seines beständigen Ensembles zuweilen in knappen 60 Minuten über die Bühne.

Seien Sie gewappnet: Flink flirrt Shakespeares englischer Originaltext in den Untertiteln. Und keine Sorge: Wer mit wem, warum, wieso – das ist am Ende alles nicht so wichtig.

Der Kino- und Theaterraum „Le Studio“ (Wien 9, Liechtensteinstraße 37) präsentiert von 10. bis 22. Oktober eine kleine Piñeiro-Werkschau (die eigentlich schon im März geplant war, aber wegen Corona verschoben wurde). Am 10.10. gibt der Regisseur ein Publikumsgespräch via Skype. Mehr dazu hier.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.03.2020)

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