EU-Parlament

Das Virus, das Körberlgeld und die "EU-Solidarität"

Die 76 italienischen EU-Abgeordneten erhalten für die Woche, in der sie in Brüssel festsitzen, 323 Euro pro Tag. Nicht die einzige schiefe Optik, welche das Parlament in dieser Krise abliefert.

Kurz war die jüngste Plenartagung des Europaparlaments: schon am Dienstag war sie zu Ende, zwei Tage früher als üblich. Und sie fand in Brüssel statt, nicht in Straßburg. Nach langem Hin und Her hatte sich Parlamentspräsident David Sassoli dazu durchgerungen, in Belgiens Hauptstadt zu bleiben. Dabei hat, wie aus Parlamentskreisen durchsickerte, vor allem die Sorge eine Rolle gespielt, dass während der Sitzung in Straßburg Assistenten, Beamte oder gar Abgeordnete positiv auf Covid-19 getestet werden und folglich zwei Wochen oder länger im Elsaß unter Quarantäne gestellt werden. Wer hätte das bezahlt? Wo hätten sie gewohnt?

So oder so zog die Brüsseler Minisitzung ein logistisches Problem für die 76 italienischen Abgeordneten nach sich: sie konnten oder wollten nicht, wie das sonst nach den Plenartagungen üblich ist, ins Flugzeug steigen und in ihre Heimat reisen. Sondern sie sitzen seither in Brüssel fest, wo am Montag die nächste Ausschusswoche beginnt. Dafür erhalten sie eine Pauschalvergütung von 323 Euro pro Tag, wie der „Presse“ aus dem Parlament bestätigt wurde. Erstaunlich: eigentlich gebührt dieses Taggeld nur für „parlamentarische Tätigkeiten", also die Teilnahme an Plenar- oder Ausschusstagen. Doch solche fanden seit Dienstag nicht statt. Und haben die wahrlich nicht dürftig entlohnten Abgeordneten dieses Körberlgeld wirklich nötig, um die „Deckung ihrer Ausgaben“ zu bestreiten, wie es das Abgeordnetenstatut vorsieht?

So oder so gibt das eine schiefe Optik ab. Gerade die italienischen Abgeordneten mahnten dieser Tage - und völlig zu Recht - europäische Solidarität mit dem seuchengeplagten Italien ein. Wäre es da zuviel verlangt, wenn sie ihre Taggelder spendeten, für das italienische Rote Kreuz oder ähnliche Hilfsorganisationen? Generell macht das Parlament keine glückliche Figur in seinem öffentlichen Umgang mit der Krise. Noch am Freitag vor einer Woche warfen sich zahlreiche französische Abgeordnete empört ins Zeug dafür, in Straßburg zu tagen - koste es, was es wolle. Dabei war da erstens schon klar, dass das Virus auch in Frankreich zirkuliert. Und zweitens wusste jeder auch nur oberflächliche Zeitungsleser, dass die Einschränkung von Reisen das wichtigste Mittel ist, seine Ausbreitung zu hemmen. Wie sehr Sassoli unter dem Druck der Franzosen steht, konnte man an der gequälten Videobotschaft ersehen, die er am Donnerstag veröffentlichte: Straßburg bleibe Sitz des Parlaments. Hat der Präsident des (wie es in seinem Twitterprofil heißt) „europäischen Hauses der Demokratie, das 450 Millionen EU-Bürger vertritt", diesen 450 Millionen in Zeiten wie diesen wirklich nichts anderes zu sagen?

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