Nicht selten ist der Akt des Enthüllens aufregender als das Enthüllte.
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Transparenz über alles? Wie viel Geheimnis sein muss

Über unsere Lust an der Enthüllung, Aufdeckungsjournalismus, Untersuchungsausschüsse – und warum eine in allem und jedem offenbare Welt nicht wünschenswert ist.

Transparenz ist im vergangenen Jahrzehnt zu einem positiven Leitwort avanciert, es findet sich mittlerweile in Programmen von Parteien und Regierungen, in den Selbstaussagen von Aufdeckern im Journalismus und in den sozialen Medien im digitalen Bereich. Auch die Konjunktur von Ausschüssen gehört in diesen Zusammenhang. Menschen wie Julian Assange und Edward Snowden avancierten in den vergangenen Jahren zu Helden der postmodernen Welt, die für ihre Enthüllungen Zuspruch und unzählige Preise erhielten. Für die einen sind sie Verräter, für die anderen David im Kampf gegen einen übermächtigen Goliath. Das Böse, das sind hier vor allem die USA und ihre Geheimdienste, die heimlich Informationskanäle anzapfen, Politiker anderer Länder ausspionieren.

Es gibt zwei Gesichter des Aufdeckungsjournalismus, die nicht zur Deckung kommen und die einigermaßen unvereinbar sind. Das eine ist seit den Tagen der Dreyfus-Affäre vom Bild des mutigen und uneigennützigen politischen Menschen getragen, der am Ende der Wahrheit zum Durchbruch verhilft. Das altgriechische Wort für Wahrheit, Aletheia, bedeutet „Enthüllung“. Es geht mit dem Verweis einher, dass die Macht und Wahrheit der Medien, der vierten Gewalt, eine notwendige Korrektur und Kritik an der Realverfassung demokratischer Regime möglich machen. Das andere, hässliche Bild betont demgegenüber die Eigennützigkeit, den falschen Ehrgeiz von Menschen, die sich vor allem dadurch zu profilieren trachten, dass sie andere vorab an den Pranger stellen und damit die demokratische Funktion von Medien untergraben und das Bild demokratischer Realpolitik, die eben ohne Geheimdienste und Geheimdiplomatie kein Auskommen hat, verzerrt.

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