Spectrum

Zum 250. Geburtstag: Hölderlin heute

Hölderlin im Kreisverkehr. Denkmal von Peter Lenk in Hölderlins Geburtsort, Lauffen am Neckar.
Hölderlin im Kreisverkehr. Denkmal von Peter Lenk in Hölderlins Geburtsort, Lauffen am Neckar. Egon Bömsch/ImageBroker/Ullstein
  • Drucken

Zu Lebzeiten veröffentlichte Friedrich Hölderlin ein einziges Buch. Erst ein halbes Jahrhundert nach seinem Tod entdeckte man den deutschen Dichter par excellence. Und was sagt er uns 250 Jahre nach seiner Geburt? Versuch einer Antwort.

Hälfte des Lebens. Eine Leerstelle. Bis heute. Was Hölderlins „Umnachtung“ in der Halbzeit seines Lebens auslöste, wissen wir nicht. Mutmaßungen indes, Indizien, gibt es dazu jede Menge. „Das Zerrissensein zwischen äußersten Gegensätzen, zwischen höchster Euphorie und tiefster Niedergeschlagenheit“, wie der Leipziger Literaturprofessor Dieter Burdorf formuliert, war mehr, als sein Geist ertragen konnte. „Weh mir, wo nehm' ich, wenn / Es Winter ist, die Blumen, und wo / Den Sonnenschein, / Und Schatten der Erde?“, heißt es in einem seiner berühmtesten Gedichte mit dem Titel „Hälfte des Lebens“ von 1804. In der ersten Strophe wird das Einssein des lyrischen Ichs mit der sommerlich-heiteren Natur beschworen. In der zweiten Strophe folgt dann die Klage über die Mauern, die „sprachlos und kalt“ dastehen. In der Fuge zwischen den beiden Strophen liegt die eigentliche Hälfte des Lebens – als Leerstelle. Ein prophetisches Gedicht, was sein Leben anbelangt. Denn als die Mauern dieses Lebenswinters kann man jene des Tübinger Turms betrachten, in dem er ab 1807 die zweite Hälfte seines Lebens verbracht hat.

Was war geschehen? Wir wissen, dass der am 20. März 1770 in Lauffen am Neckar geborene und auf Johann Christian Friedrich getaufte Dichter auf dem Rückweg von Bordeaux am 7. Juni 1802 Straßburg verlassen und die Brücke nach Kehl passiert hat. Vom 3. Juli ist ein Brief von Hölderlins Freund Christian Landauer an den Halbbruder Karl Gok erhalten, in welchem er ihm mitteilt, dass Hölderlin allmählich ruhiger werde. Kurz davor muss er „leichenbleich, abgemagert, von hohlem wildem Auge, langem Haar und Bart, und gekleidet wie ein Bettler“ (Friedrich Matthisson) in Stuttgart angekommen sein. Als er bald danach in seinem Elternhaus in Nürtingen eintraf, sprach Karl Gok von einem Zustand, der die „deutlichsten Merkmale seiner Geisteszerrüttung“ zeigte. Über Hölderlins Verbleib in den Wochen dazwischen wissen wir nichts. Eine Leerstelle, die zu den wildesten Spekulationen der deutschen Literaturgeschichte beitrug und den Mythos Hölderlin mitbegründete.

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.