24-Stunden-Pflege

Das Ringen um die Pflegerinnen

Von den aktuell getroffenen Maßnahmen sind zahlreiche Pflegekräfte aus Nachbarländern Österreichs betroffen.
Von den aktuell getroffenen Maßnahmen sind zahlreiche Pflegekräfte aus Nachbarländern Österreichs betroffen.(c) APA/BARBARA GINDL (BARBARA GINDL)
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Das Außenministerium verhandelte mit Nachbarländern, dass Pflegerinnen wieder die Grenze passieren dürfen. Doch die Fachkräfte werden längst im eigenen Land benötigt.

Wien. Noch hielten sich die Probleme bei der 24-Stunden-Pflege und in der mobilen Pflege in Grenzen. Bei den Hilfsorganisationen jagte am Freitag allerdings eine Krisensitzung die nächste. „Heute sind nur eine Handvoll Pflegerinnen nicht in den Dienst gekommen“, sagte ein Mitarbeiter einer Hilfsorganisation der „Presse“.

Es handelte sich durchwegs um Mitarbeiterinnen aus der Slowakei. An der Grenze sei den Frauen gesagt worden, man lasse sie ausreisen, es sei aber nicht sicher, ob sie am Abend auch wieder anstandslos ins Land gelassen würden. Viele Frauen drehten daraufhin um und blieben zu Hause.

Am Freitag wurde auf diplomatischem Wege fieberhaft versucht, mit den Nachbarländern Slowakei und Tschechien eine Sonderregelung für Pflegerinnen zu vereinbaren. Doch die Verhandlungen verliefen zäh. Es bestehe die Gefahr, dass die osteuropäischen Länder gezielt Pflegepersonal an der Grenze aufhalten, weil sie selbst in Spitälern und Pflegeheimen einen eklatanten Personalengpass haben. Den gab es in Ländern wie Rumänien schon vor dem Coronavirus, weil viele Mediziner und Pflegepersonal in den Westen, vor allem auch nach Italien auspendeln. Gerade in Italien ist der Bedarf an ausländischen Fachkräften hoch.

„Wir sind gut vorbereitet“, sagte Robert Pozdena, Obmann der Fachgruppe Personenbetreuung in der Wirtschaftskammer Niederösterreich. Die Unternehmen stünden mit den Familien in Kontakt. „Eigenbetreuung“ sei nun aber oberster Fokus. Die Unternehmen kümmern sich jetzt vor allem um jenen Menschen, die keine Angehörigen haben, die sie pflegen könnten.

Pozdenas Schwechater Firma Cura Domo ist auf 24-Stunden-Betreuung spezialisiert. Er hofft, dass es für die Betreuerinnen aus den Nachbarländern „schnell eine Ausnahmeregelung“ gibt. Am Freitag hielt er in seinem Unternehmen alle drei Stunden einen Krisenstab ab. „Ich bin auch laufend mit dem Innenministerium in Kontakt“, sagte der Unternehmer.

Wirtschaftskammer, Sozial- und Außenministerium berieten darüber, wie man mit dem drohenden Engpass in der 24-Stunden-Betreuung umgehen wird. An die 60.000 Menschen aus den östlichen Nachbarländern sind derzeit in Österreich im Einsatz. Allein in Niederösterreich verlassen sich 8000 Menschen auf die 24-Stunden-Betreuung.

„Gewaltige Herausforderung“

Der Wiener Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ) hatte bereits am Donnerstag im ORF davor gewarnt, dass mit den zahlreichen Grenzschließungen und Reisebeschränkungen die 24-Stunden-Betreuung in Österreich schwer getroffen werden könnte. Dürften die Pflegekräfte die Grenzen nicht mehr überschreiten, hätte Österreich „schlagartig“ ein riesiges Problem, stellte Hacker fest – und forderte deshalb „sofort Maßnahmen, damit diese Menschen weiter unbehindert die Grenzen passieren können“.

Es gelte rasch personellen Ersatz zu finden, sagte Birgit Meinhard-Schiebel von der Interessengemeinschaft pflegender Angehöriger im Ö1-„Mittagsjournal“. Die drohenden Ausfälle stellten eine „gewaltige Herausforderung“ dar.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.03.2020)

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