Pest, Typhus, Cholera: Die viel schlimmeren Plagen von einst haben wir besiegt. Aber auch heutige Epidemien verändern die Gesellschaft. Der Staat muss sich mit allen Mitteln bewähren, und als Sündenbock dient die Globalisierung.
Je weiter wir zurückblicken, desto gelassener können wir unsere Situation sehen. Die schlimmsten Plagen hat die Medizin gottlob besiegt. Aber die Wirkung einer Infektionskrankheit lässt sich nicht nur an der Zahl ihrer Opfer messen. Angst, Unsicherheit und Zwang zum Verzicht verändern auch das Zusammenleben, oft nicht zum Besseren. Haben wir auch hier gelernt, oder wiederholen sich alte Muster in neuer Form? Der Versuch eines Vergleichs.
Nagelprobe für den Staat
Kommt uns bekannt vor: Einschränkung der Reisefreiheit, Quarantäne, Kontrollen – das gab es in Mailand und Florenz schon im 14. Jahrhundert, zuzeiten des Schwarzen Todes. Der Unterschied zu heute: Für ihre drakonischen Maßnahmen hatten die aus dem Boden gestampften Gesundheitskommissionen zwar den Rückhalt der Stadtherrn, aber Könige und Kaiser standen der Ausbreitung der Pest machtlos gegenüber. Ihre Legitimität litt: Wie soll ein Machthaber „von Gottes Gnaden“ sein, wenn er solche Katastrophen nicht eindämmen kann? Oder wie gnädig ist der Gott selbst, der sie als Strafe schickt?