Huawei bemüht sich, damit die Google-Apps den Kunden nicht zu sehr fehlen.
Testbericht

Google Apps: Wir müssen bei Huawei draußen bleiben

Es ist das erste Smartphone von Huawei, das ohne Google Apps auskommen muss. „Die Presse am Sonntag“ hat das Mate 30 Pro genauer unter die Lupe genommen. Ein Erfahrungsbericht.

Im September des Vorjahres hat Huawei sein Flaggschiff Mate 30 Pro vorgestellt. Es ist das erste Smartphone der Chinesen, das effektiv vom US-Handelsbann betroffen ist, weswegen es ohne Google Apps auskommen muss. Auch aus diesem Grund entschied sich der Konzern zu Beginn, das Gerät nur in China auf den Markt zu bringen. Die sind es ja seit jeher gewohnt, ohne Google-Dienste, Facebook, WhatsApp und Instagram auszukommen. Ein knappes halbes Jahr später startet Huawei vor dem Release neuer Geräte in verschiedenen Ländern einen Testlauf, um herauszufinden, wie groß die Bereitschaft ist, für Huawei auf Google und Co. zu verzichten. Und genau diese Frage muss man sich vor dem Kauf eines brandneuen Huawei-Geräts stellen. Denn Verzicht ist die oberste Maxime. Derzeit noch.

Zur Klarstellung: Ältere Modelle haben weiterhin eine Google-Lizenz und sind vom Bann ausgenommen. Das Mate 30 und die Ende März zu erwartende P40-Serie nicht mehr.

(c) Huawei

Die letzten Monate hat Huawei intensiv an dem Aufbau eines neuen App Stores gearbeitet. Es sind auch schon viele heimische Unternehmen mit an Bord und folgen dem Aufruf, sich einen „Drittwohnsitz“ (nach Apple und Google) bei Huawei aufzubauen. Die App Gallery ist freilich noch nicht so prall gefüllt wie die der Konkurrenz von Google und Apple. Dauerte es dort aber Jahre, bis diese mit Auswahl, Qualität und Sicherheit brillieren konnten. Man möge nur an die Anfangszeiten von Google denken.

Ein Selbstversuch. Da legt im direkten Vergleich Huawei einen deutlich besseren Start hin. Und auch die international vorhandene Auswahl kann sich zum Teil sehen lassen. Telegram, der Browser Opera, die ZDF-Mediathek, SZ.de, BBC Online, Amazon-Shopping, TikTok, Tinder und Amazon TV sind bereits an Bord. Dennoch, heute ist man einfach anderes gewöhnt. Man ist gefangen in der Google-Bequemlichkeit. Das Mail-Service, das Navi immer und überall, und will man eine neue Anwendung installieren, ruft man einfach den Play Store auf, bei dem immer alles im Überfluss vorhanden ist. Wie produktiv kann man mobil ohne Google sein, wenn man mit Android seit Jahren sozialisiert worden ist?

Gleich vorweg: Man stößt schnell an seine Grenzen, auch wenn man die Schleichwege kennt und mit Begriffen wie Sideload und APK vertraut ist. Die im Internet propagierte Methode, sich via „Phone-Clone“ seine Apps vom alten Smartphone auf das neue zu holen, funktioniert nur bedingt, wenn überhaupt. Probieren kann man es trotzdem, denn Schaden hat man dadurch nicht zu befürchten. Im schlimmsten Fall sind nur alle Bilder, SMS und Einstellungen übertragen.

Bei App-Installationen mit Umgehung autorisierter Quellen beißt man sich dann aber in vielen Fällen die Zähne aus. Huawei weist schon aus Garantiebestimmungen darauf hin, dass „Eingriffe, Demontage oder Reparaturen, die nicht von Huawei autorisiert“ sind, ein Grund für einen Garantieausschluss ist.

Rückschläge und Hoffnungsschimmer. Der Play Store lässt sich zwar manuell installieren, aber die Freude währt in unserem Test nur kurz, denn beim Öffnen heißt es, dass die App nicht „Play Protect zertifiziert“ sei. Ähnlich dann die Meldungen bei Netflix, Facebook und WhatsApp. Hier greift aber Huawei seinen Nutzern helfend unter die Arme. Unter dem Reiter „Downloadlink“ wird man auf die offiziellen Webseiten verwiesen, von denen man sich die bereits für Huawei adaptierten Apps holen kann.

Als kleiner und praktikabler Hoffnungsschimmer erweist sich aktuell noch der App Store von Amazon, der tatsächlich problemlos installiert werden kann und Apps bietet, die man kennt und gewohnt ist.

Was kann dasMate 30? Bei all dem Aufwand muss die Frage legitim sein, ob es das Mate 30 Pro überhaupt wert ist. Und so viel sei verraten: Huawei hat auch hier wieder ein Topmodell vorgelegt, das an technischer Ausstattung und Kamera nicht viel zu wünschen übrig lässt.

Das 6,5 Zoll große Smartphone bietet eine Auflösung von 2400 x 1176 Pixel. An der gibt es nicht viel zu meckern, die Farbdarstellung ist gewohnt gut, ebenso der Kontrast und die Helligkeit. Und während sich Samsung von seinen allzu gebogenen Edge-Displays (also über den Displayrand hinaus) wieder verabschiedet hat, geht jetzt Huawei in die Vollen. Und übertreibt dabei.

Schnell wird beim Benutzen des Geräts eine Aktion unbeabsichtigt ausgelöst. Auch die seitliche Lautstärkeregelung funktioniert nur mehr über das Display und das nur bedingt, denn die Tasten wurden wegrationalisiert. Ebenfalls verschwunden ist der Klinkensteckeranschluss. An der rechten Seite gibt es nur noch den Powerbutton.

Ein persönliches Highlight ist, dass das Gerät über die Frontkamera tatsächlich erkennt, ob man liegt. Dadurch springt die Darstellung nicht unwillkürlich ins Querformat.

Der 4500–mAh-Akku hält auch bei intensiver Nutzung mehr als zwei Tage. Das ist durchaus vorbildlich.

Ebenso vorbildlich ist das Kamerabullauge auf der Rückseite. Drei Kameralinsen und ein Tiefensensor liefern Bilder, die in der Qualität den Topmodellen von Samsung und Apple in nichts nachstehen. Besonders positiv fällt der Nachtmodus auf, der selbst bei großer Dunkelheit noch viele Details erfassen kann.

Die Kunden tragen Konsequenzen. Wenn sich zwei streiten, könnte man schon fast sagen. Statt Freude gibt es aber Leid. Der seit Mai 2019 geltende US-Handelsbann lähmt Huawei und die fehlenden Google-Apps treffen den User sehr. Es ist bemerkenswert, wie sich Google hier festgesetzt und die User von sich abhängig gemacht hat.

Abgesehen von all dem ist das Mate 30 Pro ein gelungenes Smartphone, das im Normalfall Apple und Samsung ordentlich hätte zusetzen können, vor allem mit dem vergleichsweise relativ günstigen Preis. Doch nun, ohne Google Apps, sind 1100 Euro wieder relativ teuer.

>>> Installations Tipps für neue Huawei-Smartphones

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