Walk of Häme

Lob des Geisterspiels

Oder: Warum Fußball ohne Zuschauer nahe an der idealen Form des Spiels ist.

Ausnahmesituationen wie die Corona-Epidemie führen neben aller Verunsicherung, Sorge und Unbequemlichkeiten auch zu neuen Erfahrungen und erfrischenden Perspektiven. Diese Woche sorgten Fernsehübertragungen sogenannter Geisterspiele, also Fußballmatches in leeren Stadien, für Aufsehen und Unmut. Der allgemeine Tenor dazu lautet in etwa folgendermaßen: Also Fußball ohne Zuschauer ist überhaupt kein Fußball, ohne Fans und ihre Begeisterung fehlt dem Spiel die notwendige Stimmung und Emotion, da lieber gleich absagen, als solche Geisterspiele abhalten.

Das kann man auch ganz anders sehen. Zum einen haben auch Weltstars wie Neymar und Kylian Mbappé einen großen Teil ihrer Fußballerkarriere ohne nennenswerte Zuschauer absolviert. Nachwuchsfußball findet zumeist in der oft trostlosen Umgebung leerer Sportplätze und Ministadien statt. Eltern von Fußballkindern kennen die Geräusche, die beim Spiel von Borussia Dortmund gegen Paris Saint-Germain am Mittwoch in der französischen Hauptstadt zu hören waren, nur allzu gut. Neben dem Klatschen des Balles, dem Rufen der Mitspieler und den spitzen Schmerzensschreien nach Fouls hört man nur noch das Klatschen und Brüllen eines hochemotionalen Trainers und einer Handvoll überehrgeiziger Angehöriger.

Das Fehlen der eskalierenden Emotionen von außen (das ist das Wohltuende am Tennis, wie im Theater herrscht während der Vorstellung Ruhe, erst danach werden die Kunst und ihre Protagonisten beklatscht) sorgt dafür, dass die Schönheit des Spiels deutlicher zu Tage treten kann. Man hört die Kommandos, mit denen Abseitsfallen gestellt, Ketten gegeneinander verschoben, Gegenspieler in die Deckung übernommen, Laufpässe gefordert werden. Und nicht nur das wütende Brüllen vorgeblicher echter Fans, die oft so mit ihren einfallslosen Choreografien und brachialen Gesängen beschäftigt scheinen, dass gar nicht viel Aufmerksamkeit fürs Spiel übrig bleiben kann.

Ja, und da hat sich auch schnell das Problem gelöst, das zuletzt in der deutschen Bundesliga zu Spielunterbrechungen geführt hat: Keine Hassbotschaften, keine rassistischen Ausfälle, keine Homophobie. Nur ein Ball, 22 Spieler, zwei Tore und ein ziemlich perfektes Spiel. Fußball eben.

florian.asamer@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.03.2020)

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