Bildende Kunst

Hier könnt ihr jetzt ausstellen!

Der Red Carpet Showroom am Karlsplatz ist derzeit noch vom Künstlerhaus-Verein belegt, die neue Ausstellung „Blinde Passagiere“ wartet aber schon.
Der Red Carpet Showroom am Karlsplatz ist derzeit noch vom Künstlerhaus-Verein belegt, die neue Ausstellung „Blinde Passagiere“ wartet aber schon.Manuel Gras
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Manuel Gras betreibt drei Red Carpet-Schauräume in U-Bahnstationen – hier könnte man jetzt schnell reagieren, hier könnte noch Publikum erreicht werden.

Er ist einer von vielen umtriebigen Seelen im bisher so regen österreichischen Kunstbetrieb. Im Zuge der Corona-Krise ist der 1979 geborene Wiener Manuel Gras aber bisher der Erste, der öffentlich zu Solidarität aufruft und auch fähig ist, erste Aktionen zu setzen: Eigentlich Maler, hat er in den vergangenen rund zehn Jahren seine „Passion aber der Verpflichtung zur Förderung der jungen Kunstszene untergeordnet“, wie er es formuliert. Er stelle zwar noch selbst aus, vor allem aber widme er sich mit dem von ihm, Karl Kilian und Marcus Schober 2009 gegründeten Verein The Red Carpet Award der Schnittstelle junge Kunst, Öffentlichkeit, Wirtschaft, mit einer Förderquote von bisher 20–25 Prozent von der Stadt Wien und den Bezirken, den Rest treibe er in der Privatwirtschaft auf.

Durch diese Aktivitäten kam ein Netzwerk zusammen, das in dieser Zeit besonders interessant wird: Nicht nur, dass Gras in den vergangenen Jahren Spitäler wie das Hanuschkrankenhaus oder Kasernen mit junger Kunst ausgestattet hat, er betreibt auch seit 2013 in mittlerweile drei U-Bahn-Stationen Ausstellungsflächen in Schaufenstern, die Red Carpet Showrooms. Knapp unter einer Million Passanten gingen daran wöchentlich bis vor wenigen Tagen zumindest noch vorbei. Es werden weiterhin einige Tausend sein, vermutet er. Sie werden vermutlich genauer hinschauen, was auf ihren öffentlichen Wegen zu sehen ist. Was eine Chance für Künstler sei, ihre Botschaften trotz geschlossener Museen und Galerien noch mitzuteilen. Wozu? „Wir glauben daran, dass die Beschäftigung mit Kunst die Menschen neugierig macht. Das ist der Weg zur Bildung. Und das ist der Weg in die Zukunft“, so Gras. Und: „Solang die U-Bahnen nicht gesperrt sind, haben wir Publikum.“

Das könnte man auch abwechslungsreich bedienen. Denn die Ausstellungen in den U-Bahnstationen Karlsplatz, Volkstheater und Altes Landgut wechselten schon bisher alle zwei Wochen bzw. einmal im Monat. „Mir wäre immer schon ein Wechsel jede Woche am liebsten gewesen“, meint Gras. Davon wurde ihm bisher abgeraten. Aber wer weiß, was jetzt möglich wird. Eine vierte dieser Vitrinen am Schottentor – vier Meter hoch, neun Meter lang – wäre bereits vorbereitet, könnte demnächst eröffnet werden – nur brauche er dafür noch einen Partner, sagt Gras: eine Institution, einen Verein, was auch immer, bitte einfach melden, wünscht er sich (office@redcarpetartaward.com und auf Facebook @RCShowrooms).

Aufruf an Künstler: Meldet euch!

Melden können sich bei Gras auch jene bildenden Künstlerinnen und Künstler, die dringend Ausstellungsmöglichkeiten im öffentlichen Raum suchen, die sozusagen virulentes Mitteilungsbedürfnis haben zur Zeit: Aktuell habe er noch sechs Ausstellungsslots zwischen März und Juni frei in den bestehenden U-Bahn-Showrooms. Die sonst dafür herrschende Altersbeschränkung (bis 40) gelte dabei nicht mehr, das sei jetzt wirklich nicht so wichtig, findet Gras. Die Slots wurden frei, weil „bereits einige Institutionen und Vereine absagen mussten, da sie bereits wissen, dass sie einen Großteil ihrer Mittel verlieren werden und haushalten müssen.“

Auch Gras und sein Team arbeiten bereits ehrenamtlich, sagt er, man habe allein vorige Woche über 100.000 Euro Sponsormittel verloren. Das gibt einen kleinen Einblick in die Existenznöte, die auf die breite Kunstszene zukommen bzw. schon eingetreten sind. „Die Szene muss sich jetzt als Ganzes solidarisieren“, hofft Gras. Denn es ist die Kunst, die wieder am Ende der finanziellen Nahrungskette stehe. Wer gebe jetzt noch Sponsorgelder? Wer kaufe sich ein Bild? „Die Szene muss begreifen, dass keiner von uns in den nächsten sechs bis acht Monaten viel Geld verdienen wird.“ Auch viele Galerien werden das nicht unbeschadet bzw. überhaupt nicht überstehen.

Die Existenzängste, die man auf Social Media lese, wären enorm, so Gras. „Künstler haben eben starke Emotionen und können diese auch extrem ausdrücken.“ Aber es sei nun einmal so: „Kunst wird nötiger sein denn je, aber wir werden weniger Geld kriegen als früher.“ Daher – zusammenhalten. So habe Red Carpet „mehrere Lagerhallen“, die er „denen, die ihre Ateliers verlieren oder ihre Ausstellungen zurückbekommen gratis zur Verfügung stellen möchte.“ Auch Ateliers habe er bei der Hand, er hoffe, dass die Stadt Wien zu gegbener Zeit da auch Unterstützung bereitstellen kann. „In zwei Monaten werden wir in einer ganz neuen Welt aufwachen. Sie kann auch besser sein. Es ist nicht wahrscheinlich. Aber sie kann.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.03.2020)

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