Coronavirus

Deutschland schottet sich ab

Deutschland igelt sich ein: Grenzen zu Österreich, Frankreich und Schweiz sollen schärfer kontrolliert werden.
Deutschland igelt sich ein: Grenzen zu Österreich, Frankreich und Schweiz sollen schärfer kontrolliert werden.imago images/Sven Simon
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Berlin schränkt den Grenzverkehr auch zu Österreich drastisch ein. Als Grund gibt Seehofer das Risikogebiet Tirol an.

Berlin. Vor einigen Tagen schottete er sich noch selbst ab, weil er Kontakt zu einem Coronavirus-Verdachtsfall hatte. Horst Seehofer blieb Zuhause. Nun schottet der CSU-Innenminister sozusagen Deutschland ab. Am Sonntagabend trat er in Berlin vor die Presse, um ein neues hartes Grenzregime anzukündigen. Und noch während er redete, waren Beamte der Bundespolizei auf dem Weg zu den Grenzen.

Die Regierung in Berlin hatte davor lang gezögert, während Nachbarländer wie Polen, Tschechien und Dänemark ihre Grenzen zu Deutschland weitgehend geschlossen hatten. Doch nun kündigt Seehofer an, dass Deutschland seine Grenzkontrollen drastisch verschärft. Zu Frankreich. Zu Luxemburg. Zur Schweiz. Zu Luxemburg. Zu Dänemark. Und zu Österreich. Der Grenzverkehr wird ab Montag 8 Uhr früh auf das Notwendigste reduziert. Also auf Waren, auf Berufspendler, auf deutsche Heimkehrer und auf Ausländer mit Aufenthaltstitel in Deutschland.

„Die Lage ist sehr ernst“, sagt Seehofer. Als Grund für das strenge Grenzregime führt er den Infektionsschutz an. Österreich wurde ausgewählt, weil Bayern direkt an das Risikogebiet Tirol grenzt. Und Frankreich, weil Elsass-Lothringen Risikogebiet ist. Außerdem solle die aktuelle Maßnahme weitere Hamsterkäufe über die Grenzen hinweg verhindern. 

Der Warenverkehr zwischen Deutschland und den Nachbarstaaten soll aber weiter fließen. Die österreichische und die deutsche Wirtschaft sind zutiefst miteinander verwoben. Fast ein Drittel der rot-weiß-roten Exporte gehen ins große Nachbarland. Auch Berufspendler dürften den Plänen zufolge weiterhin die Grenzen passieren. Allein 34.000 Deutsche fahren in Nicht-Krisenzeiten zur Arbeit nach Österreich.

Nur mit „triftigem Grund“

Wie genau sich solche Pendler ausweisen können, ist noch in der Schwebe. Seehofer kann sich „Passierscheine“ vorstellen, die Bundesländer und Arbeitgeber ausstellen und sich Pendler ins Auto legen. Aber vorerst wird die Polizei das Gespräch darüber suchen, ob Grenzgänger einen „triftigen Grund“ für die Einreise haben. Als Beispiel für einen „triftigen Grund“ nennt Seehofer einen Pariser Anwalt, der zu einer Verhandlung nach Stuttgart muss. Da würde man die Einreise nicht verweigern.

Der Schengener Grenzkodex decke das Vorgehen. Aber der Minister hätte auch ohne europäische Rechtsgrundlage so gehandelt, wie er klarmacht. Die Gesundheit gehe „über alles“. Seehofer hat die Grenzkontrollen mit den betroffenen Staaten abgesprochen – und zwar „vor allem“ mit Frankreich. Mit Österreich möglicherweise eher weniger. Wien wurde aber nach den ersten Eiltmeldungen informiert. Frankreich hat übrigens angekündigt, den Grenzverkehr nach Deutschland gleichfalls auf das Notwendigste zu reduzieren.

Zu Österreich gibt es eine Vorgeschichte: Zahlreiche deutsche Urlauber dürften aus dem Tiroler Skigebiet Ischgl das Coronavirus mitgebracht haben. Am Samstag wurde Tirol von Deutschland als Risikogebiet definiert. Am selben Tag rief Gesundheitsminister Jens Spahn alle Heimkehrer aus Österreich, Italien und der Schweiz auf, sich für 14 Tage in häusliche Quarantäne zu begeben – und zwar unabhängig davon, „ob sie Symptome haben oder nicht“.

Deutschlandweit wurden bis Sonntag 4838 Coronavirus-Fälle registriert. Die meisten Ansteckungen gab es in Nordrhein-Westfalen (NRW), einem Bundesland, das flächenmäßig nicht einmal halb so groß wie Österreich ist, aber doppelt so viele Einwohner zählt. Dicht an dicht drängen sich die Städte. Bis Sonntagmittag wurden nur in NRW 2100 Infizierte gezählt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.03.2020)

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