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Europa wird zur Corona-Sperrzone

APA/AFP/JOE KLAMAR
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Die Kommission plant die Abriegelung der ganzen Union. Es gilt, angesichts der Pandemie den Binnenmarkt vor dem Kollaps zu schützen. Am Dienstag treten die EU-Staats- und Regierungschefs zum Video-Sondergipfel zusammen.

Brüssel. Angesichts der dramatischen Bedrohung durch das Coronavirus greift die EU zu drastischen Maßnahmen. Die Außengrenzen der Europäischen Union sollen laut Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen für die Dauer von zunächst 30 Tagen abgeriegelt werden. Die Maßnahme betrifft alle nicht-essenziellen Grenzübertritte. Ausnahmen soll es auch für medizinisches Personal sowie Forscher aus Drittstaaten geben – sowie für Briten, die zwar seit 31. Jänner nicht mehr EU-Bürger sind, aber laut von der Leyen „europäische Bürger“ bleiben.

Die Leitlinien wurden am Montag bei einer Telefonkonferenz mit den EU-Innenministern präsentiert. „Unsere Bemühungen, die Ausbreitung des Coronavirus einzudämmen, werden nur dann erfolgreich sein, wenn wir uns auf europäischer Ebene koordinieren“, sagte von der Leyen. Damit solle ganz besonders der Binnenmarkt geschützt werden.

Bei einem Sondergipfel, der heute Dienstag über Video stattfinden wird, sollen diese neuen Regeln diskutiert und beschlossen werden. Die Zustimmung der Unionsmitglieder ist bei derart drastischen Schritten notwendig.

Frankreich macht Druck

Die Maßnahmen für ein Grenzmanagement sind vor allem auf Druck Frankreichs zustande gekommen. Die Pariser Regierung kritisierte am Montag „einseitige und nicht abgestimmte Entscheidungen zu den Grenzen durch eine Reihe von EU-Mitgliedstaaten“. Via Twitter rief Präsident Emmanuel Macron die EU-Partner zu einer intensiveren Abstimmung auf. Zuvor hatte Macron per Video mit Deutschlands Kanzlerin Angela Merkel und der EU-Spitze konferiert. Auch ein Sprecher der Kommission äußerte sich kritisch über einseitige Maßnahmen: „Die Grenzen zu schließen ist nicht unbedingt der beste Weg, um die Ausbreitung einzudämmen.“

Die EU versucht einen schwierigen Spagat, nämlich einerseits die Gesundheit der Bürger zu schützen und andererseits die richtige Behandlung von Menschen, die reisen müssen, sicherzustellen. Zudem soll gewährleistet werden, dass grundlegende Güter und Dienstleistungen erhältlich bleiben.

„Grüne Korridore“ für Güter

Das am Montagnachmittag präsentierte Maßnahmenpaket umfasst daher auch die Schaffung sogenannter Grüner Korridore innerhalb der EU, die dazu dienen sollen, „allen wesentlichen Gütern an Grenzübergängen Vorfahrt zu gewähren“, wie es von der Leyen formulierte. Gesundheitschecks sollten nur auf einer Seite der Grenze durchgeführt werden, ist auch eine der empfohlenen EU-Maßnahmen.

Eine Reihe von Ländern haben ihre Grenzen für Deutsche und Franzosen geschlossen. Österreich hat den Flugverkehr nach Frankreich unterbrochen und eine Reisewarnung für das Land ausgesprochen. Auch Deutschland hat seine Grenzen zu Ländern wie Dänemark, Frankreich, Luxemburg, Österreich und der Schweiz teilweise dicht gemacht. Montagnachmittag riegelte sich auch Finnland von seinen europäischen Nachbarn ab.

Mit neuen Maßnahmen will die Kommission auch die Versorgung mit medizinischer Ausrüstung in der EU sicherstellen. So bedürfen künftig Ausfuhren von Schutzausrüstung in Drittstaaten einer Genehmigung seitens der EU-Mitgliedstaaten. Das betrifft zum Beispiel Schutzkleidung sowie Atemmasken. Andererseits arbeitet die Kommission mit der Industrie zusammen, um die Produktion von Schutzausrüstung anzukurbeln. Außerdem leitet die Kommission mit den Mitgliedstaaten heute eine gemeinsame Beschaffung von Diagnose-Kits und Beatmungsgeräten in die Wege.

Indessen hat sich Kommissions-Vizepräsident Frans Timmermans in freiwillige Quarantäne begeben. Er hatte Kontakt mit einer später positiv auf das Virus getesteten Person gehabt. (gb/la)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.03.2020)

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