Coronavirus

WHO empfiehlt, ohne ärztlichen Rat kein Ibuprofen zu nehmen

Nurofen ist eines der Ibuprofen-Medikamente das nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR) beinhaltet.
Nurofen ist eines der Ibuprofen-Medikamente das nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR) beinhaltet.(c) REUTERS (Phil Noble)
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Wer mit dem Coronavirus infiziert ist, sollte kein Ibuprofen einnehmen, rät die Weltgesundheitsorganisation. Es gibt zwar keine Studien, dass das Mittel den Krankheitsverlauf erschwere, aber man prüfe die Lage.

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) rät Menschen bei Verdacht auf eine Infektion mit dem neuen Coronavirus davon ab, ohne ärztlichen Rat das Medikament Ibuprofen einzunehmen. Es gebe zwar keine neuen Studien, aus denen hervorgehe, dass Ibuprofen mit höher Sterblichkeit verbunden sei, sagte WHO-Sprecher Christian Lindmeier am Dienstag in Genf. Aber die Experten prüften die Lage zur Zeit.

"Wir raten, im Verdachtsfall Paracetamol und nicht Ibuprofen einzunehmen", sagte Lindmeier. Dies beziehe sich ausschließlich auf die Einnahme ohne ärztlichen Rat, betonte er.

Der französische Gesundheitsminister hatte am Wochenende mit einem Tweet, in dem er vor Entzündungshemmern wie Ibuprofen warnte, Aufsehen erregt. Der nationale Gesundheitsdirektor Jérôme Salomon hatte sich ähnlich geäußert und von der Einnahme sogenannter nichtsteroidaler Antirheumatika (NSAR) abgeraten. Zu dieser Wirkstoffgruppe zählen neben Ibuprofen auch Acetylsalicylsäure (ASS; Aspirin) und Diclofenac. Es gibt einen Beitrag im Fachjournal "Lancet", in dem eine mögliche unerwünschte Wirkung von Ibuprofen erwähnt wird. Die Fallzahl der Studie ist aber äußerst gering.

Am Wochenende sorgte eine Sprachnachricht, die auf Whatsapp und anderen sozialen Medien verbreitet wurde, für Aufsehen. Darin wurde vor einer Einnahme von Ibuprofen bei Covid-19 bereits gewarnt, das hätten Forschungsergebnisse der „Wiener Uniklinik“ ergeben. Die MedUni dementierte den Inhalt der Nachricht allerdings.

Bislang gibt es nur Hypothesen über mögliche Zusammenhänge von schweren Covid-19-Verläufen und Ibuprofen. Das Forschungsmagazin „Lancet Respiratory Medicine“ hatte darüber berichtet, es rege Eintrittsstellen an, durch die die Sars-Viren passieren könnten.

Frankreich erschwerte Zugang minimal

In Frankreich steht Ibuprofen seit 15. Jänner nicht mehr frei vorne in der Apotheke, sondern nur noch hinter dem Schalter. Die Apotheker verkaufen es weitgehend ohne Rezept. Damit soll jedoch eine entsprechende Beratung sichergestellt sein.

Der Virologe Jonas Schmidt-Chanasit vom Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin (BNITM) schloss am Wochenende nicht aus, dass insbesondere ASS, aber auch Ibuprofen, bei der Lungenerkrankung Covid-19 nicht hilfreich sein könnten. "Ibuprofen hemmt die Blutgerinnung, das wäre ein möglicher Hinweis", erläutert der Virologe. Damit steige das Risiko für innere Blutungen. "Bei Paracetamol ist das nicht der Fall."

Fake News über ACE-Hemmer

Aber nicht nur über Ibuprofen wird derzeitig im Zusammenhang mit dem Sars-CoV-2-Virus diskutiert. Auch bestimmte Blutdruckmedikamente sind durch Einzelmeinungen in Verruf geraten. Nach dem Rektor der MedUni Wien, Markus Müller, und dem Wiener Pharmakologen Michael Freissmuth am Wochenende reagierte am Dienstag auch die Österreichische Kardiologische Gesellschaft. Ihr Fazit: Nichts dran.

Die Berichte hätten jedenfalls zu einer Verunsicherung vieler Patientinnen und Patienten mit Bluthochdruck und Herzinsuffizienz geführt, da ACE-Hemmer und Angiotensin-Rezeptor-Blocker sehr häufig und wirksam bei diesen Erkrankungen eingesetzt werden, stellte die Fachgesellschaft fest.

"Immunsupprimierte Patienten, ältere multimorbide Patienten, Patienten mit Lungenvorerkrankung, aber auch Diabetiker und Patienten mit chronischen Herzerkrankungen sind generell als Risikopatienten zu klassifizieren und sollten sich daher ganz besonders schützen. Als Österreichische Kardiologische Gesellschaft (ÖKG) empfehlen wir, eine bestehende Medikation mit ACE-Hemmern und Angiotensin-Rezeptor-Blockern unbedingt beizubehalten. Ein Absetzen der Medikamente oder ein Wechsel auf andere Präparate ist nicht indiziert und sollte wegen des Risikos eines akuten Herzinfarktes oder Schlaganfalls unbedingt vermieden werden", unterstrich Peter Siostrzonek (Ordensklinikum Linz), Präsident der ÖKG, in einer Presseaussendung.

Zusammenhang rein spekulativ

Der postulierte Zusammenhang zwischen einer Covid-19-Infektion und den genannten Medikamenten sei rein spekulativ und leite sich aus tierexperimentellen Befunden ab, wonach Sars-CoV-2 am sogenannten ACE2-Rezeptor in der Lunge gebunden wird und andererseits ACE2 unter einer Therapie mit ACE-Hemmern und Angiotensin-Rezeptor-Blockern vermehrt gebildet wird. Andere Studien geben stattdessen – ebenfalls spekulativ - gegenteilige Hinweise, wonach die entsprechende Therapie den Verlauf einer COVID-19-Infektion sogar abschwächen könnte. Ein schlüssiger wissenschaftlicher Beweis für einen Zusammenhang in die eine oder andere Richtung liegt aber keinesfalls vor, so Siostrzonek abschließend.

Es gibt keine wissenschaftliche Evidenz für eine negative Auswirkung der Einnahme von nichtsteroidalen Antirheumatika oder von ACE-Hemmern bzw. Sartanen bei Covid-19-Patienten oder Infizierten, hatten Samstagabend der MedUni Wien-Rektor Markus Müller und der Leiter des MedUni Wien-Zentrums für Physiologie und Pharmakologie, Christian Freissmuth, gegenüber der APA gesagt. Bereits zuvor hatte sich zu der Frage auch die Europäische Gesellschaft für Kardiologie (ESC) geäußert.

"Diese Spekulationen über die Sicherheit von ACE-Hemmern oder Angiotensin-Rezeptorblockern haben keine solide wissenschaftliche Basis. In Wirklichkeit gibt es Evidenz aus Tierstudien, die darauf hindeuten, dass diese Medikamente eher einen schützenden Effekt vor schweren Lungenkomplikationen haben könnten. Es gibt aber bisher keine Daten (über den Effekt; Anm.) beim Menschen", hatte es in einer ESC-Stellungnahme geheißen.

(APA/dpa/Red.)

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