Früchte des Zorns: Heizt die Ausweitung von Palmölplantagen in Südostasien den Klimawandel an?
Palmöl

Ein Öl, das alle auf die Palme bringt

Ein Überblick zeigt: Es gibt für Palmöl (noch) keinen brauchbaren Ersatz. Aber seine CO2-Bilanz lässt sich stark verbessern.

Wir entkommen ihm nicht. Ob Süßwaren, Margarine, Katzenfutter, Kosmetika, Waschmittel oder – gerade besonders begehrt – Seife: In jeder zweiten Ware unserer Supermärkte steckt Palmöl. In Asien und Afrika ist es das beliebteste Fett zum Braten und Frittieren, und auch als Biodiesel hat es Karriere gemacht.

Aus guten Gründen: Mit dem Fruchtfleisch (und den Kernen) der Palmfrucht lässt sich ein hoher Ertrag zu niedrigen Kosten erzielen. Es klingt wie ein Werbetext: Zu fast gleichen Teilen aus gesättigten und ungesättigten Fettsäuren gemischt, ist der Naturstoff geschmacksneutral und fest bei Zimmertemperatur. Er verleiht durch die weiche Textur ein angenehmes „Mundgefühl“ und macht, weil er kaum oxidiert, verarbeitete Lebensmittel haltbarer. Aber es gibt da ein Problem, das es vom Kleingedruckten zur dicken Überschrift geschafft hat: In Indonesien und Malaysia, von wo über 85 Prozent der Produktion stammen, wurde und wird dafür Regenwald gerodet – was den Klimawandel beschleunigt und Arten ausrottet.

Das hat das Allzweckmittel zum Hassobjekt von Umweltorganisationen gemacht. Sie schießen aus allen Kampagnen-Rohren und stellen Produzenten an den Pranger. Deren Lobbys halten entgegen, die Herkunftsländer pochen immer gereizter auf ihre Selbstbestimmung, derweil die Mengen – heuer über 69 Millionen Tonnen – weiter steigen, um rund zwei Prozent pro Jahr. Objektive Studien gibt es, aber sie behandeln nur Details. Was bisher fehlte, war ein Überblick: Gibt es sinnvolle Alternativen, ist eine klimaschonende Bewirtschaftung möglich? Diese Zusammenschau hat nun Sophie Parsons von der University of Bath mit zwei Kollegen geliefert (in Nature Sustainability, 9. 3.).

Felder voller Sonnenblumen und Raps sind uns ja vertraut, Soja wird vor allem in den USA und in Brasilien angebaut. Aber deren Öle enthalten mehr ungesättigte Fettsäuren, was sie in rohem Zustand für viele Lebensmittel und Kosmetika unbrauchbar macht. Man muss Wasserstoff zusetzen, damit sie bei Raumtemperatur (halb-)fest sind. Verläuft diese Hydrierung nicht vollständig, entstehen schädliche Transfette (zur Erinnerung: Ihretwegen hat man uns die Lust auf Croissants verdorben). Eine komplette Umwandlung ist oft nicht oder nur sehr aufwendig möglich, und auch wenn sie gelingt, lässt die Konsistenz zu wünschen übrig. Es sei denn, die Saaten werden genetisch verändert, durch klassische Züchtung oder gezielte Mutation. Das weckt oft andere Widerstände, und es bleibt vorerst bei der Nische. Auf niedrigere Hürden stößt der Ersatz beim Biodiesel, weil es hier weniger auf die Balance der Fettsäuren ankommt.

Der entscheidende Einwand aber betrifft die Umwelt. Wenn wir für mehr Anbau von Soja Regenwald im Amazonasgebiet roden, treiben wir den Teufel mit dem Beelzebub aus. Wie auch beim Kokosöl, das meist sogar aus derselben Region kommt wie Palmöl.

Einzeller sind die Zukunft

Für Raps und Sonnenblumen ließen sich die Flächen ohne Waldverlust erweitern, aber hier stört der hohe Düngereinsatz die CO2-Bilanz. Bei allen Alternativen können Farmer pro Hektar nur zehn bis 20 Prozent der Menge aus Palmen ernten. Auch wenn das geopferte Freiland ökologisch weniger kostbar ist: Es geht ungleich mehr davon drauf.

Bleiben noch Öle, die aus Einzellern gewonnen werden, in Kulturen aus Mikroalgen, Hefe, Pilzen oder Schimmel. Sie waren schon einmal großes Thema, in der Ölkrise der 1970er-Jahre, als man versuchte, Ersatztreibstoffe aus Algen zu kreieren. Aber die Organismen in den Teichen wurden durch andere Arten kontaminiert, sie waren nicht robust genug. Die Kosten der Verarbeitung – die Lipide müssen aus den Zellen „befreit“ werden – machten diesen Biodiesel prohibitiv teuer. An solchen Mängeln leiden Einzelleröle bis heute. Aber aus Sicht der Forscher lohnen sich bei ihnen Entwicklungsinvestitionen, weil sie der ökologisch beste Ersatz sind – vor allem, wenn Algen zugleich Stickstoff und Phosphor aus Abwässern nutzen.

Bis aber solche Alternativen markttauglich werden, bleibt im großen Stil nur Palmöl. Also gehe es darum, seinen Anbau so klimaschonend wie möglich zu machen. Viel versprechen sich die Autoren von der Behandlung der Abwässer in den Ölmühlen. Aus den Teichen, wo sie bisher endlagern, entweichen große Mengen des aggressiven Treibhausgases Methan. Wenn man stattdessen aus den Abwässern Biogas produziert, hat Palmöl über die Wertschöpfungskette eine bessere CO2-Bilanz als Raps.

Aber wie bringt man die Hersteller dazu? Sie sitzen mit Großabnehmern um einen „runden Tisch“, die Umweltexperten auf den Hinterbänken. Die freiwillige Maßnahme hat sich als zahnlos erwiesen. Es fehlen Anreize, aber auch Kontrollen, etwa durch Satellitendaten. Und damit indonesische und malaysische Politiker dazu bereit sind, braucht es Druck von außen. Aber es geht auch um den Handel und uns Konsumenten: Erst 19 Prozent der Produktion sind zertifiziert, und selbst dafür fehlt es an Nachfrage. Entscheidend ist, auch in China und Indien Interesse an nachhaltigem Öl zu wecken. Es bleibt also noch ein langer Weg, bis das „angenehme Mundgefühl“ keinen bitteren Nachgeschmack mehr hinterlässt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.03.2020)

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