Randerscheinung

Coronapuzzle

(c) Carolina Frank
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Es ist ein bisschen wie zu Weihnachten.

Es ist ein bisschen wie zu Weihnachten. Alle fünf sind zuhause und tun so vor sich hin, der Kühlschrank ist voll (was andere da Hamstern nennen, ist mit drei hungrigen Buben nämlich der Normalfall), und im Wohnzimmer liegt ein Tausender-Puzzle am Boden. Puzzeln in der Woche zwischen den Jahren ist bei uns zu einer Tradition geworden, bei der Bescherung ist in einem Packerl ein Puzzle, die vielen Stücke liegen dann auf dem Boden unter dem Christbaum, ein paar Tage lang wird je nach Lust in wechselnden Besetzungen vor sich hin gepuzzelt. Doch die Arbeit am Coronapuzzle fühlt sich trotzdem anders an. Der Christbaum fehlt, das Licht ist anders, Mitte März natürlich viel besser, um die kleinen Unterschiede auf den winzigen Teilen auszumachen. Nur die Knie tun nach ein paar Stunden genauso weh wie im Dezember. Außerdem sind alle irgendwie unrastig. Dem Ältesten haben sie die Uni zugesperrt, von seinem Prüfungstermin im April hat er noch nichts gehört. Der Mittlere muss damit rechnen, dass sein Zivildienst knapp vor Ende verlängert wird bzw. dass er bis dahin noch seinen lieb gewonnenen Einsatzort wechseln muss. Und dem Jüngsten ist schon ein paar Tage nach der Schulschließung urlangweilig. Ihm kommen die Coronaferien gar nicht gelegen: Erstens geht er lieber in die Schule als nicht, weil er es hasst, Aufgaben zuhause zu machen und nicht in der Lernbetreuung vor dem Fußballspielen im Hort. Zweitens kann er nicht wie sonst in den Ferien Freunde einladen oder besuchen (auch das Eisgeschäft hat geschlossen). Drittens geht ihm nun der letzte Rest seiner Volksschulzeit verloren. Nur der Hund ist ganz relaxt: Alle sind zuhause, er kann sich nicht anstecken, und Tierfuttermärkte wurden zur ­kritischen Infrastruktur erklärt.

("Die Presse - Schaufenster", Print-Ausgabe, 20.03.2020)

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