Corona Briefing Tag 4

Tiroler und Wiener Sperren, Siegfried Kurz und Bibi Netanjahu

Clemens Fabry/Die Presse
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Zu viele Frühlingsausflügler und “Koste es, was es wolle” kommt statt Nulldefizit und Steuerreform.

Guten Morgen. Hoffentlich störe ich Sie nicht, es herrscht ja kein Wahlkampf. Leider. Und das hätte ich (mir) nie zu schreiben getraut/geglaubt. Es ist leider ernster. Wir befinden uns am Tag vier der Ausgangsbeschränkungen, die in jeder Hinsicht herausfordernd sind, aber notwendig, wie der Blick auf Nachbarländer und die Zahlen der Zunahme der Fälle neuer Corona-Infizierter zeigt. Leider muss ich Ihnen daher auch mitteilen, dass dieser und die kommenden Morgenmails weder besonders lustig noch medizinisch-wissenschaftlich wertvoll sind um die alten TV-Programmtipps zu zitieren. Ich bin ein typischer Journalist, verbreite also im Idealfall Dreiviertel-Wissen. Ein paar politische Beobachtungen kann ich aber mit Ihnen teilen.

Nach den vergangenen Corona-Kommentaren haben mehrere Wahlkampf-Briefing-Empfänger die anlassbezogene Rückkehr des Morgenmails angeregt. Bitte sehr. Hier können Sie sich anmelden

Gestern, Mittwoch, klappte es in den Städten angesichts frühlingshafter Temperaturen mit der Ausgangsbeschränkung auf den ersten Blick nicht mehr ganz so gut, Sonne, Spazieren und Unterhaltungen sorgten wieder für ein wenig mehr Fußgänger-Verkehr – noch sind in Wien Flächen wie der Stadtpark zwecks Querung offen. Laut Gesundheitsminister Rudolf Anschober werden wohl weitere Sperren folgen. Laut Nachfrage gestern späterer Abend ist man an der Regierungsspitze jedenfalls durchaus zufrieden mit der Wirksamkeit der bisherigen Maßnahmen. Aber: Die Polizei wird in den kommenden Tagen stärker kontrollieren, bei Gruppen von mehreren Personen den Heimweg empfehlen und gegebenenfalls strafen.

Seit gestern Abend gibt es eine Quarantäne-Sperre aller Tiroler Gemeinden, der Flachau, des Gasteinertals und des Großarltals. Das bedeutet: Verlassen kann man die jeweilige Gemeinde nur noch mit Genehmigung.

Die wichtigste Nachricht aus österreichischer Sicht war gestern die Ankündigung eines nach oben offenen 38-Milliarden-Hilfspakets für die österreichische Wirtschaft. Warum nach oben offen? „Koste was es wolle“, lautet die Devise von Finanzminister Blümel, Vizekanzler Kogler und Kanzler Kurz für das Paket, in dem wie schon berichtet auch Soforthilfe für Ein-Personen-Unternehmen vorgesehen ist, Details folgen kommende Woche. (Wunderbarer Verschiedene-Welten-Dialog: Armin Wolf fragt in der Zib2 wegen des finanziellen Vollentfalls etwa von Künstlern. Gernot Blümel antwortet mit den Beispielen Masseur und Fitnesstrainerin.) Übrigens: Wenn sich der rote Wiener AK-Chef in der Zeit im Bild 2 derart konstruktiv-positiv über den Kurzarbeitskompromiss und die Kooperation mit der Regierung äußert, dann ist das erstens ein sehr gutes Zeichen für das Krisenmanagement aller und zweitens ein Hinweis wie ernst die wirtschaftliche Situation gerade ist.

Weiter im Stakkato: Das Nulldefizit ist damit Geschichte – und wohl auch die Steuerreform. Aber darüber werden wir später diskutieren. Nur eine Zahl: Innerhalb von zwei Tagen wurden bereits 49.000 Menschen als arbeitslos gemeldet. Und noch eine Maßnahme: Leerverkäufe werden mit heute an der Wiener Börse verboten. Gut.

International folgen immer mehr Länder den Vorreitern wie Österreicher mit Einführung harter Maßnahmen, Deutschland brauchte wieder ein bisschen länger. In der von mir nicht nur wegen der kommenden stellvertretenden Chefredakteurin Alexandra Föderl-Schmid geschätzten „Süddeutschen“ widmete sich Peter Munch auf Seite 3 der Situation in Österreich quasi als Vorschau wie es schon bald in Deutschland aussehen wird. Natürlich kam er in dem schönen, wienerisch verklärten Stück auf Sebastian Kurz: „Denn in dieser Lage muss sich der Kanzler, der früher einen Hang zum Populismus zeigte, als Staatsmann beweisen. Bislang hat er stets den richtigen Ton getroffen – ruhig, klar, schnörkellos. Er hat die Gratwanderung geschafft, den Ernst der Lage deutlich zu machen und gleichzeitig die Menschen zu beruhigen.“ Das ist harmlos im Vergleich zum Spiegel, der einen West-Diplomaten in Wien zitiert hatte: „Kurz wirkt zurzeit so, als könne er übers Wasser gehen, als sei er in Drachenblut gebadet.“ Siegfried Kurz?

Es war übrigens Benjamin Netanjahu, Israels Immer-Noch-Premier, der mit zwei Gesprächen mit Kurz und der emotionalen Aufforderung, der Virus-Ausbereitung nicht wie fast alle Regierungschefs in Europa weiter nur zuzuschauen, dem österreichischen Kanzler den letzten Anstoß gab, vor den anderen Mittel- und Westeuropäern Fakten zu schaffen.

Lesen Sie bitte den Leitartikel von Florian Asamer, warum es nicht nur um das Risiko von Oma und Opa gehen sollte. Und was Rotkreuz-General Gerry Foitik, einer der alten Krisen-Hasen, die das Land zum Glück hat, im Interview mit Uli Weiser zu Tests und Symptomen sagt.

Und morgen schreibe ich Ihnen wieder aus der Heim-Redaktion.

>>> Tag 1: Ausgangssperre, Ausgangsbeschränkung
>>> Tag 2: Wiener Amtswege, Tiroler Richtigkeit, Deutsche Spätzündung
>>> Tag 3: Diese Situation wird länger dauern und wie Platter Fehler einräumt

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