Talfahrt

Wenn Anleger Dollar hamstern

Lieferdienste gehören zu den großen Gewinnern am Aktienmarkt.
Lieferdienste gehören zu den großen Gewinnern am Aktienmarkt.imago images/STPP
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Der Aktienmarkt steht trotz des EZB-Programms weiter unter Druck. Der Ifo-Index bricht ein wie seit der Lehman-Pleite nicht mehr.

Die EZB kann mit ihrem 750 Milliarden Euro schweren Kaufprogramm die Aktienmärkte nach dem jüngsten Ausverkauf nicht beruhigen. Der Dax lag am Donnerstagvormittag 0,9 Prozent tiefer bei 8365 Punkte, der EuroStoxx50 notierte 0,2 Prozent tiefer bei 2380 Zählern.

„Die Hilfsprogramme der Notenbanken interpretiert der Markt derzeit als Verzweiflungstat", sagte Timo Emden, Marktanalyst vom gleichnamigen Analysehaus. „Für die Börsen ist klar, dass die Währungshüter und Staaten derzeit kein Ass im Ärmel haben. Angesichts der nicht absehbaren Folgen des Coronavirus für die Weltwirtschaft dürfte die Furcht vor weiteren Kurseinbrüchen bestehen bleiben."

Die Europäische Zentralbank springt Unternehmen und Staaten mit umfassenden Anleihekäufen bei. Das Notfallprogramm soll mindestens bis Jahresende laufen. „Es gibt keine Grenzen für unser Engagement
für den Euro", twitterte EZB-Präsidentin Christine Lagarde. Auch Unternehmensanleihen und Papiere der hoch verschuldeten Eurostaaten werden gekauft. Das half den griechischen Bonds, deren Rendite zeitweise auf 2,02 Prozent sank. Auch die Renditen für Portugal, Spanien und Italien gaben deutlich nach.

Vollbremsung für die Wirtschaft

Die Bundesregierung legt ebenfalls milliardenschwere Programme auf, um so viele Insolvenzen wie möglich zu verhindern. Dafür kann sie nach eigener Auffassung unbegrenzt Schulden machen. Die Wirtschaft leidet derzeit unter der Vollbremsung, der Ifo-Index brach ein und fiel auf den tiefsten Stand seit März 2009.

>> ifo: Deutschlands Wirtschaft könnte um sechs Prozent schrumpfen

Die Furcht vor einer weltweiten Rezession ließ Anleger bei Industriemetallen die Reißleine ziehen. Der Kupferpreis brach in der Spitze um 7,9 Prozent auf 4371 Dollar je Tonne ein.
Damit ist das als Barometer für die Weltkonjunktur geltende Industriemetall so billig wie seit mehr als vier Jahren nicht mehr und hat auf Wochensicht rund 18 Prozent an Wert verloren. Guy Wolf, Chefanalyst beim Rohstoff-Brokerhaus Marex Spectron, beschreibt die Situation als „Massenpanik“ und sagt: „In diesem Umfeld sind die Preise wo sie sind, weil jemand verkauft und verkaufen muss - sie haben keine Wahl."

„Jetzt werden Dollar gehamstert"

Zugleich suchten Investoren weltweit ihr Heil im Dollar. Der Greenback stieg zu einem Währungskorb um 0,5 Prozent auf den höchsten Stand seit mehr als drei Jahren. „Jeder hamstert jetzt Dollar, genauso wie sich viele Leute weltweit mit Klopapier eindecken", sagte Masayuki Murata, Portfoliomanager bei der Versicherungsgesellschaft Sumitomo Life.

„Die Maßnahmen der Zentralbanken werden langfristig helfen. Aber derzeit rückt keiner Dollar heraus. Wenn über Bank-Ferien und die Schließung von Börsen gesprochen wird, werden die Leute versuchen, mehr Bares in der Hand zu haben als üblicherweise." Der Euro geriet entsprechend unter Druck und kostete mit 1,0798 Dollar 1,1 Prozent weniger.

Das Pfund rutschte sogar um 1,2 Prozent ab auf 1,1471 Dollar. Es notiert damit zum Dollar auf dem niedrigsten Stand seit 35 Jahren. „Das Pfund kollabiert schlichtweg", sagte Carlo Alberto De Casa, Chefanalyst beim Brokerhaus ActivTrades. Die Kehrtwende der Regierung von Boris Johnson bei der Bekämpfung des Virus habe einen neuerlichen Ausverkauf ausgelöst. „Am Markt wird inzwischen mit einer Ausgangssperre gerechnet."

Lieferdienste profitieren

Aktien von Lieferdiensten und Einzelhandel profitierten weiterhin von Stubenhocken und Hamsterkäufen. Neben Hellofresh mit einem Plus von gut zehn Prozent gilt das auch für Metro, die mehr als 15 Prozent zulegen. Auch Shop Apotheke-Titel gewinnen 8,7 Prozent. Für Zooplus geht es bis zu 24 Prozent aufwärts.

(Reuters)

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