Serie

„Feel Good“: Lesbische Liebe, die wehtut

Sie lieben einander – und kehren zugleich das Schlechte am jeweils anderen hervor: „Feel Good“ mit Mae Martin und Charlotte Ritchie porträtiert eine toxische Beziehung zwischen zwei Frauen. Jetzt auf Netflix.
Sie lieben einander – und kehren zugleich das Schlechte am jeweils anderen hervor: „Feel Good“ mit Mae Martin und Charlotte Ritchie porträtiert eine toxische Beziehung zwischen zwei Frauen. Jetzt auf Netflix.(c) Netflix
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„Feel Good“ von und mit der Komikerin Mae Martin ist eine feinfühlige, hoch persönliche Liebesgeschichte über Sucht und die Wirren der sexuellen Identität. Die Channel-4-Serie ist jetzt auf Netflix zu sehen.

Man könne aus einer toxischen Beziehung eine gesunde machen, sagt der Leiter von Mae Martins Selbsthilfegruppe in einer der ersten Folgen von „Feel Good“ – und man mag es ihm ja glauben, ist aber wirklich nicht sicher angesichts der Szenen, die man bereits gesehen hat. Und noch sehen wird in den insgesamt sechs kurzen Kapiteln dieser neuen Serie des britischen Senders Channel 4 (hierzulande ist sie auf Netflix zu sehen): Mit viel Feingefühl und trockenem Humor wird hier geschildert, wie sich zwei Menschen innig lieben und doch nur die schlechtesten Seiten am jeweils anderen zum Vorschein bringen. Und wie die Leidenschaft, die eine Beziehung anfacht, den Blick auf Probleme verstellen kann. Dabei wünscht man ihnen ja so, dass sie miteinander glücklich werden!

Sie, das sind die Komikerin Mae – gespielt von der echten kanadischen, mittlerweile in London lebenden Komikerin Mae Martin, die sich in dieser semi-autobiografischen Serie quasi die Rolle einer jüngeren Version von sich selbst auf den Leib geschrieben hat – und die sehr britische Lehrerin George (Charlotte Ritchie), die sich zum ersten Mal in eine Frau verliebt. Die Momente vom ersten Kuss bis zum Zusammenziehen vergehen im Schnelldurchlauf, bald setzen die Komplikationen des Zusammenlebens ein: Die impulsive Mae hat eine Drogenvergangenheit, die sie überstanden zu haben meint, doch die Verhaltensmuster einer Suchtkranken hat sie nicht abgelegt. Die großbürgerlich aufgewachsene George stürzt sich Hals über Kopf in die aufregende neue Beziehung, doch zur neu entdeckten Seite ihrer Sexualität stehen kann sie nicht: Vor ihren Eltern und Freunden erfindet sie einen männlichen Liebhaber.

Bald rieselt es Vorwürfe: George sei doch eh hetero und nur auf ein Abenteuer aus! Mae wolle George nur erobern und fallen lassen, wenn sie keinen Kick mehr spürt! In präzise beobachteten, nuancierten Szenen erzählt die Serie vom Drang nach Anerkennung, dem Gefühl der Isoliertheit, von verinnerlichter Scham. Und lässt die Publikumsgunst ständig zwischen Mae und George schwanken. Nur Maes Mutter – herrlich fanatisch gespielt von Lisa Kudrow (Phoebe in „Friends“) –, ist konstant verabscheuenswert: „Du warst eine Frühgeburt und im Brutkasten, darum stehen wir uns nicht nahe“, sagt sie zu Mae. Die Drogenjahre ihrer Tochter verdrängt sie so entschlossen, dass Mae sich mit ihr in eine Geisterbahn setzt, um zwischen Riesenspinnen und Gespenstern über die Vergangenheit zu reden: Hier gibt es immerhin kein Entkommen.

Die Female-Trauma-Comedy

Authentische, zwischen witzig und melancholisch changierende Geschichten von und mit (oft queeren) Komikerinnen bilden im Serienbereich mittlerweile ein eigenes Genre – auch in Tig Notaros „One Mississippi“ oder Phoebe Waller-Brigdes „Fleabag“ begegnen Frauen mit dunklem Humor Traumata und kaputten Beziehungen. Mae Martin hat schon ihre Stand-up-Programme auf persönlichen Erfahrungen mit Sucht oder der Suche nach der sexuellen Identität aufgebaut. Hier spielt sie ihre Figur, den androgynen (Ex-)Junkie, mit unruhiger Energie. Mehr als einmal sieht man sie durch die Stadt sprinten, wenn George ruft – etwa für eine schnelle Nummer im Bücherkammerl ihrer Schulklasse. Ein Versuch, der deutlich schiefgeht, als die Glocke läutet: Könne Mae bitte durchs Fenster verschwinden?

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.03.2020)

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