Der ökonomische Blick

Einige (sehr vorläufige) polit-ökonomische Lehren aus der Corona-Krise

TIROL: CORONAVIRUS - SITUATION MAUTSTELLE FELBERTAUERN
TIROL: CORONAVIRUS - SITUATION MAUTSTELLE FELBERTAUERNAPA/EXPA/JOHANN GRODER
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Schon jetzt kann man einige Punkte aufzählen, die die weitere Entwicklung beeinflussen könnten, schreibt Rudolf Wintner-Ebmer im Blog der „Nationalökonomischen Gesellschaft".

Die mittel- und langfristigen ökonomischen Auswirkungen des Corona-Virus sind momentan unmöglich abzuschätzen. Niemanden kann jetzt vorhersagen, was genau passieren wird, weil diese Krise völlig anders als vergangene Krisen ist. Schon jetzt kann man allerdings einige Punkte aufzählen, die die weitere Entwicklung beeinflussen könnten:

Österreich profitiert stark vom gut regulierten und (fast) allumfassenden Sozial- und Gesundheitssystem. Ein Vergleich mit den USA: In den USA gibt es für Unternehmen keine Verpflichtung, Krankenstandstage zu bezahlen, 25 Prozent der Arbeitskräfte können daher bei Symptomen nicht ohne Verdienstentfall zu Hause bleiben. Bezahlter Krankenstand wird zwar momentan mit einem Dekret notdürftig geregelt, es gibt aber große Lücken. 10 Prozent der Bevölkerung unter 65 Jahren ist immer noch nicht krankenversichert, was den Zugang zu medizinischen Tests sehr erschwert – damit steigen wieder Ansteckungsherde.
Für die Eindämmung der derzeitigen Krise in Österreich wird es wichtig sein, wieweit es gelingt, alle gesellschaftlichen und ethnischen Gruppen mit einzubeziehen. Eine Austrocknung einer Epidemie scheitert eventuell an den schwächsten Gliedern.

Sozialpartnerschaft wird wiederbelebt

Österreich profitiert stark von der sozialpartnerschaftlichen Organisation, die jetzt in Krisenzeiten „wiederbelebt“ wird. Die unbürokratische und sehr großzügige Kurzarbeitsregelung zusammen mit starken Garantien und Unterstützungen für Unternehmen zur Fortführung der Betriebe wären sonst wohl nicht möglich gewesen. Weitere Maßnahmen werden mit Sicherheit folgen. Da Vertrauen wichtig für die Stabilität der Gesellschaft ist, aber auch für die wirtschaftliche Entwicklung, kann das nicht hoch genug geschätzt werden.

Der ökonomische Blick

Jede Woche gestaltet die „Nationalökonomische Gesellschaft" (NOeG) in Kooperation mit der "Presse" einen Blog-Beitrag zu einem aktuellen ökonomischen Thema. Die NOeG ist ein gemeinnütziger Verein zur Förderung der Wirtschaftswissenschaften.

Beiträge von externen Autoren müssen nicht der Meinung der „Presse"-Redaktion entsprechen.

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Man sieht am Beispiel Deutschlands, dass föderale Systeme im Krisenfall manchmal langsam sind und die Koordinierung der Bundesländer schwierig ist. Die EU versagt in der Koordination dieses gesundheitspolitischen Problems. Es ist richtig, dass Gesundheitspolitik Ländersache ist, die offensichtlich länderübergreifenden Auswirkungen einer Pandemie bedürfen aber EU-weiter Regelung: Stichwort Versorgung von EU-Ländern mit wichtigen Hygiene-Produkten, koordinierte Reisepolitik, Abschottungen und Informationsweitergabe. Das Mandat der EU wird daher zunehmen.

Demokratisches System hat offensichtliche Vorteile

Ein demokratisches System, in dem die Regierung mit der Opposition gemeinsam Maßnahmen beschließen und (!) auch der Öffentlichkeit vermitteln kann, warum das geschieht, hat offensichtliche Vorteile. Man vergleiche das mit einem Land, in dem die Opposition sich nicht einigen kann, mit welchem Spitzenkandidaten sie den amtierenden Präsidenten ablösen möchte und dafür landesweite Kampagnen durchführt.
Die Debatte über Impfpflicht bei Influenza, Masern (und hoffentlich bald bei Corona) wird eine ganz neue Dimension erreichen. Das Patentrecht wird auch eine Bewährungsprobe durchmachen. Die Möglichkeit der Patentierung und Monopolisierung eines Medikaments/Impfstoffes gibt die besten Anreize für private aber auch öffentliche Forschung, denn bei einem Erfolg winken riesige Gewinne. Es wird aber möglicherweise auch Anlass für neue Regulierungen geben, um eine möglichst weite Verbreitung der Medikamente zu garantieren. Vorschläge dabei sind Preisauslobungen für Entdeckungen mit gleichzeitiger Verpflichtung, die Verbreitung sicherzustellen und die Ergebnisse für anschließende Forschungsarbeiten freizugeben.

PS: Eine einfache – aber doch wirksame – Maßnahme, die Liquiditätsengpässe von kleinen Unternehmen zu reduzieren, stammt von der Ökonomin Betsey Stevenson: kauft Gutscheine von Euren Stammrestaurants, Friseuren und anderen lokalen Geschäften. Jeder kann so mitmachen, um einen Beitrag zu leisten und die Firmen am Leben halten.

Der Autor

Rudolf Winter-Ebmer ist Arbeitsmarktökonom und Vorstand am Institut für VWL der JKU Linz.

Rudolf Winter-Ebmer
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