Parallelen und Unterschiede: Die Arigona-Alisar-Show

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ArigonaAlisarShow(c) APN (Roberto Pfeil)
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In Frankenburg wird ein Abschied vorbereitet, in Mattighofen ein Start in die Modelwelt gefeiert. Arigona Zogaj verlässt demnächst das Land. Auf Alisar Ailabouni warten lukrative Werbeverträge.

Nur 38 Kilometer liegen zwischen Mattighofen, jenem Ort, an dem Alisar Ailabounis Weg von der Dorfschönheit zum hoch bezahlten Werbegesicht gefeiert wird – und Frankenburg, wo man zur selben Zeit Arigona Zogajs Abschiedsfest vorbereitet.

Auf dem Stadtplatz Mattighofen, kann Alisar Ailabouni an diesem Samstag die Blumen des Bürgermeisters entgegennehmen und strahlend lächeln, so wie sie Millionen aus dem Fernsehen kennen. Alisar, Gewinnerin der fünften Staffel der Heidi-Klum-Show „Germany's next Topmodel“, kehrt heim.

Im kurzen Kleid läuft Alisar den noch fast leeren Stadtplatz entlang, später, als sie mit dem Cabrio einfährt, stehen Tausende bereit. Eine Traube von Mädchen im Teenageralter filmt schon jetzt mit dem Handy. Iris, 12, aus dem Nachbarort, habe „laut geschrien“, als die Mattighofenerin gewonnen hat. Alisar sehe eben schön und trotzdem so normal aus, findet Iris. Die Männer an den für das Stadtfest aufgestellten Biertischen sehen kurz von ihrem Bier auf, als die 1,80 Meter große Alisar mit Entourage vorbeizieht, sie wissen, wer sie ist, „weil wir Frauen haben, die das interessiert. Mit Fußball kennen wir uns besser aus“, sagt einer, die anderen lachen wie auf Kommando gleichzeitig los.

„Rassige Schönheit“, „Göttin Venus“

Im Fernsehen, auf Internetseiten, in Schlagzeilen wurde die 21-Jährige, ehemals Kellnerin und Verkäuferin, zur „rassigen Schönheit“, zur „Muslimin im Bikini“, zur „orientalischen Prinzessin“, zur „Göttin Venus“ stilisiert. In der Industriegemeinde Mattighofen ist sie der Glücksfall, den man nicht erwartet: „Alle Mattighofener sind stolz auf Alisar“, sagt Bürgermeister Friedrich Schwarzenhofer. Normalerweise kämen 3000 bis 5000 Besucher zum Stadtfest, diesmal sei „alles möglich“. Dass sie „Ausländerin ist“, wie er sagt, spiele dabei keine Rolle. Sie sei zur Zeit das zugkräftigere Aushängeschild der Region als der ortsansässige Motorradhersteller KTM. Alisars Management habe den Auftritt kostenlos zugesagt. Ihr Marktwert hätte das Budget des Stadtfests ohnehin gesprengt.

Ein Kameramann, sein Assistent und eine Redakteurin aus München umzingeln Alisar, es soll ein Interview aus ihrem Heimatort werden, an jenen Orten, an denen sie früher unbehelligt mit Freunden im Schanigarten gesessen ist. Das erste Interview, das ProSieben aus dem Heimatort der aktuellen Gewinnerin bringt, jener Sender, der die Teilnehmerinnen von „Germany's next Topmodel“ zu Heulsusen, Tolpatschigen, Süßen oder Zicken stempelt. Alisar war die Schüchterne und sie hat gewonnen.

Im Fernsehen, auf Internetseiten, in Schlagzeilen wurde die 21-Jährige, ehemals Kellnerin und Verkäuferin, zur „rassigen Schönheit“, zur „Muslimin im Bikini“, zur „orientalischen Prinzessin“, zur „Göttin Venus“ stilisiert. In der Industriegemeinde Mattighofen ist sie der Glücksfall, den man nicht erwartet: „Alle Mattighofener sind stolz auf Alisar“, sagt Bürgermeister Friedrich Schwarzenhofer. Normalerweise kämen 3000 bis 5000 Besucher zum Stadtfest, diesmal sei „alles möglich“. Dass sie „Ausländerin ist“, wie er sagt, spiele dabei keine Rolle. Sie sei zur Zeit das zugkräftigere Aushängeschild der Region als der ortsansässige Motorradhersteller KTM. Alisars Management habe den Auftritt kostenlos zugesagt. Ihr Marktwert hätte das Budget des Stadtfests ohnehin gesprengt.

„Junge Kosovarin ... mit Rehaugen“

In Frankenburg findet zur selben Zeit ein Fest statt, eines zum Abschied: Die zentrale Person, Arigona Zogaj, die „junge Kosovarin“, die mit den „Rehaugen“, die zu „Österreichs bekanntestem Asylfall“ wurde, ist allerdings nicht persönlich im Gasthof „Preunerwirt“ anwesend. Dem zu erwartenden Medienrummel versuche die 18-Jährige zu entgehen, sagt der Initiator des „Fests für Arigona, Albin und Albona“, Michael Neudorfer. Der Buchhändler, dessen Frau die Lehrerin der jüngeren Geschwister Arigonas ist, will zeigen, dass es in Frankenburg Menschen gibt, die „anders denken“, wie er sagt. Er meint damit jene Minderheit, die nicht will, dass die Zogajs abgeschoben werden. Für die Familie, die in wenigen Tagen nach negativen Asylbescheiden nun endgültig das Land verlässt, soll beim Abschiedsfest noch ein wenig Geld gesammelt werden.

Auf Alisar Ailabouni warten nach „Germany's next Topmodel“ wenn schon nicht Laufstegjobs und High Fashion, so zumindest Werbeverträge im Wert von zunächst über 400.000 Euro, darunter Gillette, Maybelline, C&A, Sony Ericsson. Im schwarzen Paillettenkleid lächelt sie vom Cover der aktuellen Cosmopolitan, als Finalistin der Klum-Show bekam sie einen Kleinwagen als Bonus dazu. Ihr Auftritt in den Medien ist generalstabsmäßig geplant, ihre Antworten sind geschliffen, vor unangenehmen Fragen schirmt man sie ab. Unter Vertrag ist sie in der Agentur One Eins, die Heidi Klums Vater betreibt, ein Interview ist nur möglich, wenn die Fragen zuvor vorgelegt werden, solche, die zu nahe an den „persönlichen Lebensbereich“ des in der syrischen Hauptstadt Damaskus geborenen Models reichen, werden gestrichen.

An den Biertischen in Mattighofen wollen wenige etwas zum Fall Zogaj sagen. Die, die es doch tun, finden, „dass Recht Recht bleiben“ müsse, „ohne Ausnahme“ und dass es „ein Wahnsinn sei, wie viel Geld der Staat für den Fall ausgegeben hat“, obwohl, „sie, Arigona, ja nichts dafür kann, dass das alles so lange gedauert hat“.

Auf Arigona Zogaj wartet nun die Ausreise in ein Dorf im Nordwesten des Kosovo, das sie 2001 als Kind zusammen mit ihren Eltern verlassen hat. 2007, als es zur Abschiebung aus Österreich kommen sollte, tauchte sie unter und drohte, sich etwas anzutun. Damals waren, erzählt man sich, „falsche Berater“ am Werk. Ein Video, dessen Entstehungsgeschichte und Urheberschaft Anlass zu Spekulationen bot, ließ das anfänglich positive Bild der damals 15-Jährigen in der Öffentlichkeit kippen. Als der damalige Innenminister Günther Platter daraufhin erklärte, ein Staat dürfe sich nicht erpressen lassen, war die Entscheidung auf den Straßen und an den Stammtischen gefallen. Humanes Bleiberecht wurde schließlich nicht gewährt. Vor wenigen Wochen fällte auch der Verfassungsgerichtshof das finale Urteil.

„Alisar war so schüchtern“, sagt Ingrid Achleitner. Sie lernte die junge Frau vor zwei Jahren kennen, als diese sich um einen Job in dem von Achleitner geführten Eiscafé Freezer bewarb. Weil sie keine Erfahrung oder Ausbildung als Kellnerin hatte, lehnte Achleitner ab. Sie habe zu Alisar gesagt: „Warum wirst du nicht Model? So wie du aussiehst?“ Alisar habe nur gelächelt, damals.

Von Alisars Vergangenheit drang bisher wenig an die Öffentlichkeit: illegale Einreise, als Alisar sieben Monate alt war, zwei Brüder, eine Schwester, der Vater hat die Familie verlassen, als sie drei Jahre alt war. Später hat sie die Staatsbürgerschaft bekommen, wie, war nicht zu erfahren. Wenig Geld, zu wenig, als dass sie die Tourismusschule in Bad Ischl hätte abschließen können. Ein enges Verhältnis zur Mutter.

Die Chronik der Lebensgeschichte der jungen Frau in Frankenburg weist Parallelen auf: illegale Einreise, als Arigona zehn Jahre alt war, drei Brüder, eine Schwester, der Vater hat die Familie nach der Abschiebung verlassen, die Mutter ist psychisch labil. Arigona soll ihre ganze Stütze sein.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 4. Juli 2010)

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