Junge Forschung

Der Natur auf die Finger schauen

An der Uni Innsbruck könne sie ihrer „Schnapsidee“ nachgehen, scherzt Bianka Siewert. „Die Traumvorstellung für Grundlagenforscher.“
An der Uni Innsbruck könne sie ihrer „Schnapsidee“ nachgehen, scherzt Bianka Siewert. „Die Traumvorstellung für Grundlagenforscher.“ Andreas Friedle
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Die Chemikerin Bianka Siewert erforscht an der Uni Innsbruck, ob Farbstoffe aus Pilzen für die Tumortherapie verwendet werden können, wenn man sie durch Licht aktiviert.

Angefangen hat alles mit der Olive. Ihr Doktorvater habe sie damals mit der Liebe zu Naturstoffen angesteckt, erzählt Bianka Siewert. Ausgehend von der Annahme, wonach das hohe Alter, das Menschen in mediterranen Ländern erreichen, auch mit ihrer Ernährung zusammenhängt, hat sie sich für ihre Dissertation mit der in Oliven enthaltenen Maslinsäure beschäftigt. „Die medizinische Chemie holt sich Inspiration aus der Natur, modifiziert gefundene Verbindungen und schaut, ob wir das, was die Pflanze für sich macht, für therapeutische Zwecke, in meinem konkreten Fall für ein Antitumormittel, ausnutzen können.“

Das Ergebnis ihrer Untersuchungen war, wie sie heute sagt, frustrierend. Von zweihundert modifizierten Verbindungen, waren nur eine Handvoll interessant, weil sie tatsächlich ausschließlich Krebszellen töteten. Die anderen aktiven Verbindungen griffen wie herkömmliche Tumormittel auch alle schnell wachsenden gesunden Zellen an – mit den bekannten Nebenwirkungen wie Haarausfall und Gehörverlust. Das bedeutet, die Mehrzahl der von der Olive inspirierten Verbindungen war nicht selektiv. Siewert: „Ich wollte aber nicht nur weitere antitumoraktive Moleküle beschreiben, sondern wirklich selektive Wirkstoffe finden.“

Ein trojanisches Pferd gegen Tumore

In dieser Situation kam eine Stellenausschreibung zu einem Projekt an der Universität Leiden gerade recht. Siewert wechselte und forschte in den Niederlanden drei Jahre daran, Medikamente mittels Licht zu aktivieren, um eine selektive Wirkung zu erreichen. Basis waren hier jedoch nicht Naturstoffe, sondern metallorganische Verbindungen. „Das fand ich sofort spannend. Die Idee ist, dass man eine Art trojanisches Pferd hat, das seine Klappe nur öffnet und seine Soldaten entlässt, wenn Licht eingeschaltet wird. Vorher stört es im Körper nicht.“ Dieses Vorhaben, die photodynamische Therapie, verlangt viel Grundlagenarbeit. Es geht darum zu verstehen, wie eine chemische Verbindung mit Zellen und Licht reagiert und worauf auftretende Effekte konkret zurückzuführen sind. Neue LED-Techniken eröffnen in diesem Feld ganz neue Möglichkeiten.

Die Faszination für die Natur und ihre Mechanismen hat Siewert allerdings nicht losgelassen. An der Universität Innsbruck fand sie Ende 2016 schließlich den perfekten Ort, ihr bisheriges Know-how rund um Naturstoffe und Licht zusammenzuführen. Im Zentrum ihrer Forschungen am Institut für Pharmazie und Pharmakognosie stehen Pilze und ihre Farbpigmente. „Der Pilz nutzt seine Farben zur Verteidigung, so wie wir es von einigen Pflanzen kennen“, vermutet die Chemikerin. „Es gibt zum Beispiel Pflanzen, die haben stark gefärbte Wurzeln. Wenn Schweine sie ausgraben und fressen, löst dies schlimme Hautausschläge und Ekzeme aus. Das passiert aufgrund der lichtaktivierbaren Verbindungen in den Wurzeln, die sich in der Haut ablagern und reagieren, sobald die Tiere in der Sonne sind.“

Siewert will nun herausfinden, ob solche lichtaktivierbaren Effekte auch in Pilzen vorkommen und ob sie für therapeutische Zwecke genutzt werden können. Dazu untersucht sie mit ihrem Team hundert Extrakte aus fünfzig verschiedenen Pilzen. Die ersten Ergebnisse zeigen, wie vielversprechend die „Schnapsidee“, wie die Wissenschaftlerin ihr Forschungsinteresse liebevoll nennt, ist: So produzieren etwa viele der isolierten Verbindungen, wenn blaues Licht eingeschaltet wird, Sauerstoffradikale in den Zellkulturen – die wiederum den Zelltod auslösen. In einem zweiten Schritt werden die Extrakte nun auch auf ihre antimikrobielle Wirkung hin getestet.

Die Arbeit von Siewerts Gruppe wird von den Wissenschaftsfonds FWF und TWF gefördert. Das Projekt feiert derzeit Halbzeit und die gebürtige Deutsche hat sich mittlerweile gut in ihrer neuen Wahlheimat eingelebt. Nur das kulturelle Leben in den Niederlanden vermisse sie hier manchmal schmerzhaft. Aber die „grandiose Naturlandschaft“ wiege das zu einem Großteil wieder auf. Und so streift sie auch in ihrer Freizeit gern durch die Wälder, um Pilze zu sammeln, oder sie nutzt die Bergwelt zum Wandern und Skifahren.

ZUR PERSON

Bianka Siewert (33) untersucht seit Ende 2016 am Centrum für Chemie und Biomedizin der Universität Innsbruck Pilze und deren lichtaktivierbaren Stoffe sowie ihre Anwendung in der Krebstherapie. Sie promovierte 2013 an der deutschen Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg über antitumoraktive Triterpensäuren. Anschließend forschte sie drei Jahre an der Universität Leiden in den Niederlanden.

Alle Beiträge unter: www.diepresse.com/jungeforschung

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.03.2020)

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