Rainer Nowak: Mit sich selbst

Rainer Nowak sich selbst
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Klassische Fehlplanung

Das nennt man klassische Fehlplanung: Alle wollten sie im Juli arbeiten und im August wegfahren. Alle Freunde, alle Freundinnen, alle Bekannten, sogar alle Notnägel wie die sogenannten Schulfreunde. Ich konnte im August nicht mehr wegfahren, ich musste für die Nach-Matura lernen. Also ab ins nächste Reisebüro, Hauptsache irgendeine Insel in irgendeinem Meer mit vielen jungen schönen Menschen und viele gute Bücher im Koffer. Und außerdem ist das doch einmal wirklich wichtig: zwei Wochen mit sich allein. Da kann man an sich arbeiten, ein bisschen mit sich ins Reine oder Was-auch-immer kommen. Theoretisch.

Praktisch wurde es dann eine sinnlose griechische Insel: Es war günstig und heiß. Nach einem Barbesuch arbeitete ich einen Tag an mir und sah klarer: Mir wurde langweilig. Am zweiten Tag hatte ich die interessanten Krimis gelesen. Die Hesses und Kafkas hätte ich nicht mitnehmen sollen, erstens war ich keine 16 mehr, sondern 18 und zweitens: Wem wollte ich damit imponieren? Da war niemand außer mir. Nur ein paar Kellner, die mir mitleidig einen Tisch anboten. Sonst waren da Pärchen. Ausschließlich Pärchen. Die mögen es nicht, wenn man sie anspricht oder -lächelt. Vor allem der männliche Part nicht.

Nach vier Tagen war ich sturmreif. Ich verlegte mich auf Gruppenreisende, ein schwaches Glied in der Kette freut sich immer über Ansprache. Sie waren so alt wie ich, aber aus dem Süden Wiens und ganz nett. Nur teilten Weiblein und Männlein nicht meine Interessen. Motorräder? Fußball? Clubbings in Mödling? Und das neue Cabrio? Ähem. Aber was sollte ich machen? Da musste ich durch, hielt durch, verleugnete mich und meine Interessen. Und ich sprach nicht immer die Wahrheit. Die Rothaarige ohne Freund merkte das, aber sagte nichts. Danke.

Nach vier Tagen reisten sie ab, überließen mir ein paar Krimis. Ich begann mich daran zu gewöhnen, zwischen tequilatrinkenden Party-Kids an der Bar zu lesen. Das fand eine erdige Maturantenrunde aus Perchtoldsdorf lustig. Diesmal hielt ich mich an die echte Biografie und hatte einen guten Freund für drei Abende. Dann trafen wir auf diese Hamburgerin. Sie hatte einen lustigen Namen und fand Tequila und Hesse auch nervend. Den neuen Freund aus Perchtoldsdorf leider auch. Allein wäre das alles nicht passiert.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.07.2010)

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