Genau das ist bei allen anderen Reisepartnern, die zur Auswahl stehen, nicht der Fall.
Genau das ist bei allen anderen Reisepartnern, die zur Auswahl stehen, nicht der Fall. Ob der potenzielle Lover, das eigene Kind, die neue Schwiegermutter oder die beste Freundin: Immer haben Sie da noch eine Beziehung vor sich. Eine Zukunft, für die Sie Erlebnisse, Gefühle und Erinnerungen erzeugen müssen, idealerweise positive, die Sie zusammenschmieden. Sie wissen, dass noch was kommt. Sie müssen sich bewähren. Das erzeugt Stress. Es gibt nur einen einzigen Menschen, von dem Sie garantiert nichts (mehr) erwarten. Von dem Sie alles wissen, was Sie je wissen wollten, und noch mehr. Den Sie nicht stärker enttäuschen können, als Sie ihn bereits enttäuscht haben, und der Sie nicht stärker nerven kann, als er es schon x-mal getan hat.
Jetzt, im Urlaub, ist der Moment, in dem Sie nachsichtig sein können wie nie. Sie werden ihm lächelnd die Brille nachtragen, die er immer noch gern liegen lässt. Er wird Ihnen gelassen die Hand auf die Schulter legen, wenn Sie sich, wie so oft, in eine rechthaberische Debatte am Ticketschalter verstricken. Vielleicht geht es Ihnen dann wie mir, in glühender Mittagshitze in einer vermüllten Sackgasse am Stadtrand von Jerewan, auf der Suche nach der Busstation. Es war eine jener tausendfach vorkommenden Reisemomente, in denen man einander normalerweise wutentbrannt anstarrt, den Reiseführer theatralisch auf den Boden wirft, und ein verächtliches „Du bist schuld!“ zischt. Doch dann starrten wir einander an, und stellten fest: Wer schuld war, war in dieser vermüllten Sackgasse vollkommen gleichgültig.
Wer nichts mehr aneinander zu entdecken hat, hat den Kopf frei. Kann sich ganz auf philosophische und praktische Fragen konzentrieren. Auf Details des Zugfahrplans. Auf kulturtypische Eigenheiten in Verhandlungsritualen der Marktstandler. Auf Fauna, Flora, Gottheiten, Steine, Stadtplanung. Oder Schweigen. Ja, auch das geht mit anderen ganz schlecht.
Der Clou am Urlaub mit dem Ex ist jedoch: Er funktioniert auch, wenn alles fürchterlich schiefgeht. Selbst wenn Sie sich bis aufs Blut zanken, werden Sie beide mit einem guten Gefühl nach Hause zurückkommen. Mit der Gewissheit, dass die Entscheidung damals richtig war.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.07.2010)