Manche Menschen knüpfen ihre Neugeborenen in Tragetücher, packen Windeln für drei Tage ein – und schon sind sie weg.
Manche Menschen knüpfen ihre Neugeborenen in Tragetücher, packen Windeln für drei Tage ein – und schon sind sie weg: einmal rund um den Globus und zurück. Diese Personen kennt man in unserer Familie allerdings nur vom Hörensagen und vom Mit-offenem-Mund-Bestaunen.
Wir gehörten zu den Anhängern der Beschwerlichkeitsfraktion. Und zwar im wahrsten Sinne des Wortes. „Wer soll das alles tragen?“ und „Wie viel Übergepäck werden wir diesmal zahlen?“ waren die beiden brennendsten Fragen am Vorabend einer Reise. Die Freunde, die wir uns aussuchten, hielten es ähnlich. Einer transportierte reisetaschenweise Bananen-Orangen-Saft auf einsame griechische Inseln – der Sohn aß oder trank halt nichts anderes –, andere karrten praktisch die gesamte Kinderzimmereinrichtung quer durch Österreich und – was davon noch übrig war – wieder zurück.
Wir blieben da unserer Peergroup nichts schuldig. Die regelmäßigen Reisen mit Baby zum in London arbeitenden Dad waren ungefähr so durchgeplant wie der Einmarsch in ein mittelgroßes Entwicklungsland. Als solches erschien England in Sachen Babynahrung und Wundpopo-Salbe ja auch lange Zeit. Deshalb musste für alle kulinarischen, meteorologischen und medizinischen Eventualitäten vorgesorgt werden. „Ein fünfter Koffer?“, fragte mein Mann. „Was ist in dem fünften Koffer?“ – „Na, Medikamente, was sonst?“ Von den vielen Dingen, die für ihn sprechen, seien hier nur zwei erwähnt: Erstens fragte er nie wieder, und zweitens ließ er sich damals nicht scheiden.
Und? Hat sich der Aufwand gelohnt? Natürlich nicht. Wir brauchten nie auch nur ein einziges Medikament. Das Kleinkind aß widerspruchslos alles, was man in Londoner Supermärkten kaufen konnte, inklusive einer gewagten Mischung namens „Baby Chicken Korma“ aus der Bethnal Green Road. Und die mitgeschleppten Spielzeuge waren ihm auch herzlich egal. Viel mehr interessierten ihn die Parks, alte Schachteln und die CD-Sammlungen seines Vaters. Im Flugzeug schlief er anfangs selig, später lernte er fürs Leben: gehen und die Nachbarn sekkieren. Wie jede Geschichte hat daher auch diese eine Moral: Babys sind bei Reisen selten das Problem. Blöd nur, dass sie immer mit ihren Eltern unterwegs sind.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.07.2010)