Von Kalifornien bis New York preschen die Gouverneure mit Sofortmaßnahmen vor, weil sie die Regierung in Washington für überfordert halten. Der Präsident erwägt jetzt auch Grenzschließungen zu Mexiko.
Wien/Washington. Gavin Newsom wandte sich aus dem eichenholzgetäfelten Krisenzentrum im Gouverneurspalast in Sacramento an die Kalifornier. Arnold Schwarzeneggers Nachnachfolger, ein Demokrat und früherer Bürgermeister von San Francisco, richtete einen dramatischen Appell an seine 40 Millionen Landsleute im „Golden State“. Newsom verhängte eine Ausgangssperre, wie sie bereits in San Francisco und einen Teil der Bay Area rund um die Metropole in Kraft ist, über den gesamten Bundesstaat an der Westküste.
Diesmal habe es Kalifornien nicht mit einer Naturkatastrophe, zu tun, nicht mit den jährlichen Waldbränden, warnte er. Die Zahlen, die er nannte, waren dazu geeignet, den bekannt entspannten Kaliforniern einen Schrecken einzujagen: Bis zu 60 Prozent, 25 Millionen Menschen, könnten sich mit dem Coronavirus infizieren. Er forderte die Hilfe des Militärs und ein Spitalschiff der Marine mit 1000 Betten für Los Angeles an. Die Kapazitäten, so die Angst in San Francisco und Los Angeles, könnten schnell erschöpft sein.
Auch Schwarzenegger meldet sich über diverse Kanäle in den sozialen Medien zu Wort. Insbesondere appellierte er an das Verantwortungsbewusstsein der College-Studenten, die sich während der Spring-Break-Ferien an den Stränden Floridas tummeln.
Es sind Gouverneure wie Newsom und Andrew Cuomo in New York oder Hollywoodstars wie Schwarzenegger, die den Amerikanern die Gefahr durch die Corona-Epidemie einzubläuen versuchen, und sie konterkarieren so das erratische Krisenmanagement des Präsidenten, der sich dafür selbst die bestenZensuren erteilt. Jüngst sprach er voreilig von einem Malaria-Medikament, das im Kampf gegen das Virus zum Einsatz komme.
Absage des G7-Gipfels
Erst sukzessive wurde Donald Trump die unsichtbare Bedrohung bewusst. Zuletzt sagte er den G7-Gipfel der Staats- und Regierungschefs der wichtigsten Industrienationen im Juni am Wochenendsitz Camp David ab. Ursprünglich wollte er das Treffen in einem seiner Klubs in Miami abhalten. Nun will er es via Telefonkonferenz abwickeln, wie es nun krisenbedingt zur Mode wird.
Zugleich versuchte der Präsident die Gouverneure zu beruhigen: Die Regierung sei kein „Schiffswrack“. Der Kongress billigte Soforthilfe von 900 Millionen Dollar, das mindestens zur Hälfte den Amerikanern via Scheck zukommen soll: 1200 Dollar pro Erwachsenen, 500 Dollar pro Kind.
Währenddessen sprach die Regierung eine Warnung für alle Auslandsreisen aus. Das Außenministerium müht sich in einem Kraftakt, Amerikaner aus aller Welt zurückzuholen. Zugleich verhandelt es mit Mexiko über Modalitäten für Grenzschließungen am Rio Grande. Rund eine Million Mexikaner pendelt täglich in die USA – ein bedeutender Wirtschaftsfaktor. Der Bürgermeister von Tijuana warnte indessen vor Reisen in die USA, das stärker verseucht sei als Mexiko.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.03.2020)