Weitermachen wie immer?

Briefe an Amalia: von Goldflieder und Corona-Spielen.

Der letzte Tag in der Freiheit, wie wir sie kannten, fiel auf einen ungewöhnlich warmen Donnerstag Mitte März. Ich führte Dich im Kinderwagen aus, als ich von einem Freund die Nachricht bekam, am nächsten Tag würden Maßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus verkündet, die unser Leben drastisch veränderten. Freunde aus den Medien konnten das nicht bestätigen, meinten allerdings, am Abend gäbe es ein Pressegespräch mit dem Kanzler. Wir fuhren am ersten Supermarkt vorbei, in den zweiten aber hinein, vorbei an halb leeren Regalen und gestressten Menschen. Das Erstaunen darüber, dass es auf einmal nicht mehr alle Sorten Nudeln und von manchen Lebensmitteln wenig bis nichts mehr gibt, sagt viel über das Leben im globalen Norden aus: Was anderswo die Regel ist, verbreitet hier Panik.

Ich schob Dich in einen Park. Überall beratschlagten Mütter und Väter, wie sie mit der kommenden Schließung der Schulen und Kindergärten umgehen sollten. Universitäten und Theater waren bereits geschlossen. Alles blühte, Du griffst in einen gelben Strauch, als mir klar wurde, dass das vielleicht nicht so gut sei, weil Du derzeit alles, was Du zu greifen bekommst, in den Mund steckst oder zu stecken versuchst. Es folgte eine kleine Auseinandersetzung um den Goldflieder, den Du in Deiner Faust hieltst; am Ende gelang es mir aber doch, die Oberhand zu behalten und Dein Händchen zu säubern. Mit größtem Interesse beobachtetest Du die Kinder, die laufen und reden können.

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