Leitartikel

Auch die Freiheit liegt nun auf der Intensivstation

Clemens Fabry/Die Presse
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Noch nie nutzte der Staat seine Machtfülle so wie heute. Das hat gute Gründe. Aber wir müssen die Demokratie gesund und den kritischen Geist wachhalten.

Wenn uns das jemand im Dezember prophezeit hätte, wir hätten ihn für verrückt erklärt: Die Regierung lähmt das öffentliche Leben. Sie zwingt Händler und Wirte, ihre Geschäfte und Lokale zu schließen. Veranstaltungen, Treffen, Reisen: Alles verboten. Eltern müssen sich zu Hause selbst um ihre Kinder kümmern. Es gilt fast schon eine Ausgangssperre, die Polizei kontrolliert. Mobilfunker liefern der Obrigkeit die Bewegungsdaten der Bürger. Das alles ist nun Realität, wir nicken es ab, auch wenn sich die Restriktionen laufend verschärfen. Einen solchen Eingriff in unsere Grundrechte, einen solchen Machtanspruch des Staats haben wir in Friedenszeiten noch nie erlebt.

Dafür gibt es sehr gute Gründe: Es gilt, Menschenleben zu retten, durch eine kollektive Solidarität, die diesmal in ungewohnter Weise darin besteht, anderen aus dem Weg zu gehen. Weil sie so dringend und flächendeckend gefordert ist, braucht es Zwangsmaßnahmen. Wir akzeptieren, dass unsere Freiheit ausgesetzt wird. Zumal jene, die aus dem Gleichschritt ausscheren, den Weg zur Verstaatlichung des Alltags nur beschleunigen: Wenn viele hamstern, kriegen wir bald Lebensmittelmarken verteilt. Wenn sich viele nicht an Anordnungen halten, setzt der Staat bald die Armee ein, denn er darf nicht zulassen, dass er seine Autorität einbüßt.

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