„Star Wars“ ohne Absurditäten: „The Mandalorian“ ist ein Weltraum-Western im besten Sinne.
Disney+

Digitales Disneyland: Was Disneys neuer Streamingdienst bietet

Ab Dienstag ist Disney+ auch in Österreich verfügbar. Auf der Streamingplattform feiert sich der Unterhaltungsriese selbst – und lockt mit Nostalgie, „Star Wars" und viel Kinderprogramm. Ein Überblick mit Tipps der Redaktion.

Womit beschäftigen sich die kreativen Köpfe bei Disney derzeit am liebsten? Mit Disney selbst, könnte man meinen, wenn man sich die jüngsten Produktionen ansieht. Im Kino verfilmt man alte Klassiker neu, auf dem Streamingdienst Disney+, der ab Dienstag auch in Österreich verfügbar sein soll (der für dasselbe Datum geplante Frankreich-Start wurde wegen des Coronavirus auf April verschoben), setzt man sich mit vergangenen Zeiten und Erfolgen auseinander: In „The Imagineering Story“ wird der Aufbau von Disneyland dokumentiert, „Disneys Märchenhochzeiten“ begleitet Paare, die im Disney-Stil heiraten, und „High School Musical: The Musical: The Series“ ist eine augenzwinkernde Meta-Dramaserie für Fans des Teenagerhits von 2006.

Ein Streamingdienst als digitales Disneyland, wo der Konzern sich selbst feiern darf? Gut, mit der eigens für den Streamingdienst produzierten „Star Wars“-Serie „The Mandalorian“ werden auch Zuschauer angesprochen, die mit Märchenschlössern und Zeichentrick-Nostalgie weniger anfangen können. Doch eine vergleichbar aufsehenerregende Produktion ist seit dem US-Start im November nicht dazugekommen. Während andere Streamingdienste ständig aufwendige Serien herausbringen, um ihre Abonnentenzahlen zu steigern, scheint man sich bei Disney zurückzulehnen: Hier lockt man nicht mit Neuem, sondern bewusst mit Altem.

Davon gibt es schließlich genug. Disney+ ist vor allem ein Schaukasten für den immensen Lizenzkatalog, der nicht nur abbildet, womit Disney zuvorderst assoziiert wird – Mickey Mouse und Zeichentrickklassiker seit „Schneewittchen“ (1937) –, sondern auch, was sich der Konzern über die Jahre alles einverleibt hat: das Animationsstudio Pixar, den Superheldenstall von Marvel, das „Star Wars“-Universum, das umfangreiche Programm des Filmstudios 20th Century Fox. Von diesem zeigt Disney+, was dem familienfreundlichen Image entspricht: „Avatar“ und die „Simpsons“ sind dabei, die „Alien“-Horrorfilme nicht. Gerade weil es sich an Familien richtet, dürfte Disney+ (Preis: 6,99 Euro/Monat; 69,99 Euro/Jahr)der Konkurrenz gefährlich werden: Der Kampf der Streamingdienste werde über das Kinderprogramm entschieden, titelte das Branchenblatt „Variety“ schon im Oktober und zitierte eine anonyme Netflix-Quelle: 60 Prozent der Nutzer dieses Diensts schauen sich regelmäßig Inhalte für junges Publikum an.

Dass das mächtigste Filmstudio der Geschichte den Streamingmarkt aufmischt, bedeutet auch: Das Feld fragmentiert sich – was die Befürchtung nährt, dass frustrierte Streamingkunden zu illegalen Quellen wechseln könnten. Das Künstlerkollektiv MSCHF thematisiert das in einer digitalen Installation: Auf allthestreams.fm baute es eine Art Piratensender, auf dem man zwischen verschiedenen Plattformen herumzappen konnte. Damit war ein Einblick in Disney+ schon vor dem Österreich-Start möglich. War, denn: Wo eine Zeit lang die Avengers kämpften, prangt jetzt eine Copyright-Mahnung des FBI.

„The Mandalorian“: „Star Wars“, so wie wir es lieben

Viel Kritik musste Disney für die letzten „Star Wars“-Filme einstecken (bis auf Episode neun sind alle auf Disney+). Viel blieb nicht über vom Charme der Weltraumoper. Und vieles war einfach nur absurd. Episode VIII zum Beispiel: Die Neue Ordnung verfolgt einen Raumkreuzer des Widerstands. Trotz Supertechnik ist die Reichweite der Laserkanonen nicht hoch genug. Aber ganze Planeten konnten die finsteren Gesellen atomisieren?

Mit „The Mandalorian“ bietet Disney+ für echte „Star Wars“-Fans genau das, was die Saga ausmacht: einen teilweise schmutzigen Weltraum-Western mit Schießereien und Verfolgungsjagden, ganz ohne Absurditäten. Die Geschichte dreht sich um einen mandalorianischen Kopfgeldjäger, in der Serie nur „Mando“ genannt. Sein Brot verdient er mit dem Aufspüren von Verbrechern. Bis er einen Auftrag erhält, ein kleines grünes Wesen zu finden: Baby Yoda. Da bekommt der harte Kopfgeldjäger aber Skrupel und wird gemeinsam mit seinem kleinen mächtigen Freund zum Gejagten. (mare)

Disneys Stammdisziplin: Kulleraugen und Teen-Hits

Wo soll man da anfangen? Die Disney-Klassiker sind bekannt, der Streamingdienst versammelt sie alle, die zum Weinen („Bambi“, „König der Löwen“) und Schwelgen („Dumbo“), die ewigen Favoriten („Mary Poppins“) und die fast Vergessenen („Tarzan“), die kindlich-herzigen („Winnie Puuh“) bis chaotisch-verrückten („Alice im Wunderland“) alten und die düsteren („Maleficent“) bis nerdigen („Ralph reicht's“) neuen. Nicht vergessen darf man: Disneys Stammdisziplin sind nicht nur bunte, nostalgische Märchen mit kulleräugigen Helden, tierischen Sidekicks und üppigem Soundtrack, sondern auch musikalisch angereicherte, leichtfüßige Teenager-Hits, die Jugendliche so sehr begeistert haben wie deren Eltern genervt („Hannah Montana“, „High School Musical“). Auch von dieser Sorte findet sich viel auf Disney+, auch einiges, was eigens für den Streamingdienst produziert wurde – etwa„Diary of a Future President“ über den Schulalltag einer ambitionierten Zwölfjährigen. (kanu)

Zeichentrick: Nachahmer und Gegenentwürfe

„Falsches Spiel mit Roger Rabbit“, 1988 produziert von der Disney-Tochter Touchstone, war ein bemerkenswerter Film: In der von Robert Zemeckis inszenierten Noir-Detektivgeschichte kamen nicht nur gezeichnete Trickfiguren und Schauspieler in einer Live-Action-Welt zusammen, sondern auch Figuren von Disney und der Konkurrenz: In einer Kellerbar spielen Donald Duck und Daffy Duck (von Warner Bros.) ein Klavierduell, Mickey Mouse und Bugs Bunny treffen sich beim Fallschirmspringen, Woody Woodpecker (Universal) lacht sein hölzernes Lachen. Dank der Übernahme von 20th Century Fox kann Disney auf seinem Streamingdienst nun erneut das eigene Figurenarsenal mit Cartoon-Gegenentwürfen und Nachahmern zusammenführen: Von den „Simpsons“, wo Disney oft parodiert und kritisiert wird, über den trotz 3-D-Ästhetik altmodischen „Peanuts“-Film bis hin zum Zarenmärchen „Anastasia“, das fälschlicherweise oft Disney zugeschrieben wird. (kanu)

Die jugendfreien Abenteuer der Marvel-Helden

„Love is for children“, sagte die „Black Widow“ (Scarlett Johansson) im „Avengers“-Film von 2012, der die Marvel-Superhelden zum ersten Mal versammelte. Eine düstere Ansicht, passend zu einem Film, der Richtung Abgrund führt. Denn „Avengers“ zeichnete den Weg für die Marvel-Blockbuster vor, an dessen Ende es tatsächlich ums nackte Überleben ging. Das lässt sich auch an den Titeln ablesen: „Infinity War“ und „Endgame“ heißen die beiden letzten Filme der Reihe, nun ebenfalls auf Disney+. Man sollte chronologisch vorgehen, denn Regisseur und Co-Autor Joss Whedon hat für „Avengers“ auch sein Talent für humorvolle Dialoge genutzt. Das Marvel-Universum hat auch eine lustige Seite, besonders bei den Anti-Superhelden in James Gunns „Guardians of the Galaxy“. Nicht nur der Soundtrack erinnert an die Achtziger, auch die Dynamik und die Figuren sind schnell, schlau und witzig. Sehr lustig, aber leider keiner der 23 Marvel-Filme auf Disney+: „Deadpool“. Der ist wirklich nicht jugendfrei. (her)

Pixar-Klassiker: Immer für ein Experiment gut

Klar, Kinderfilme müssen auf mehreren Ebenen funktionieren, damit auch Erwachsene auf ihre Kosten kommen. Aber das kann nurPixar: Da rinnen den Mamas und Papas die Tränen über die Wangen, während der Nachwuchs gespannt darauf wartet, wie der grantige Opa mit den Immobilienspekulanten fertig wird. In „Oben“ – einer im Vergleich zu „Ratatouille“ oder „Cars“ wenig bekannten Produktion – blickt ein Mann auf sein Leben zurück. Haben sich seine Träume erfüllt? Und dann bricht er zu einer Abenteuerreise auf, als sei er ein junger Hupfer. Andere Filme stehen dem nicht nach, besonders ans Herz legen wollen wir Ihnen „Coco“ – über die Macht der Erinnerung und der Musik –, das abgedrehte „Alles steht Kopf“, natürlich „Wall-E“, falls jemand die herzzerreißende Story von dem einsam auf der Erde den Müll wegräumenden Roboter noch nicht gesehen haben sollte, und „Die Unglaublichen 2“ – auch Helden plagen sich mit der Kindererziehung: Wie bändigt man zum Beispiel ein Baby mit unbändigen Kräften? (best)

National Geographic: Welch wundersamer Planet

Leonardo DiCaprio, ganz persönlich: Die früheste Erinnerung des Starschauspielers ist der Anblick von Hieronymus Boschs Triptychon „Garten der Lüste“, erzählt dieser zu Beginn seiner Klimadoku „Before the Flood“. Eine Menschheit auf dem Weg zur Hölle: Anhand des Bildes, das als Poster über seinem Kinderbett hing, warnt DiCaprio vor den Folgen der globalen Erwärmung, trifft Politiker und Forscher, fliegt über zerstörte Landschaften, spaziert über schmelzende Eisflächen. Herausgebracht wurde der Film vom National-Geographic-Medienhaus, das seit der Fox-Übernahme mehrheitlich Disney gehört. Von Netflix abgezogen und zu Disney+ übersiedelt ist die bildgewaltige Dokuserie „One Strange Rock“, die – mit der Erklärstimme von Will Smith und dem Blickwinkel von Astronauten – die erstaunlichen Zusammenhänge illustriert, welche die Erde bewohnbar machen. Eine andere Perspektive auf die Geologie bietet „Free Solo“: eine waghalsige Kletterpartie ohne Seil. (kanu)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.03.2020)

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