Corona Briefing Tag 8

Merkels Buben streiten in der Krise und Tojner bietet der Stadt das Intercontinental als Notspital an

Clemens Fabry
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Christlich-soziale Uneinigkeit in Deutschland und ein Notverordnungsrecht des Bundespräsidenten, das hoffentlich Theorie bleibt.

Guten Morgen zu Beginn der zweiten Beinahe-Quarantäne-Woche. Weltweit verschärfen Länder ihre Maßnahmen in der Abwehr des Corona-Virus, mehrere US-Staaten haben Ausgangsbeschränkungen erlassen, Universitäten haben zum Teil ihren Studenten kommuniziert, dass das Studienjahr zu Ende sei. Man sieht sich im Herbst…

Ein derartig langer Zeitraum im aktuellen Shut-Down-Modus ist in Österreich so gut wie ausgeschlossen, versichern fast alle Gesprächspartner, die mit dem Krisenmanagement betraut sind. Auch wenn Home-Office und Beschränkungen des öffentlichen Lebens sicher auch noch nach dem 13. April weitergehen werden.

Wie problematisch eine gespaltene politische Führung ist, zeigt Deutschland: Dort haben sich Armin Laschet, Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, und bayrischer Amtskollege Markus Söder in einer Telefonkonferenz der Landeschefs unter Noch-Kanzlerin Angela Merkel um das Vorgehen offen und offensichtlich heftig darüber gestritten, ob die schärferen Maßnahmen in Bayern ein unnötiges Vorpreschen gewesen seien. Laschet will es wie einige andere lieber gemächlicher und vorsichtiger angehen. Beide Herren gehören übrigens derselben christlich-sozialen Gesinnungsgemeinschaft an. Einfacher kann man die Bevölkerung nicht verunsichern als mit solch föderalen Hahnenkämpfen. Das Machtvakuum in Deutschland ist jedenfalls unübersehbar, egal wie ernst Angela Merkel schaut.

Hörte man gestern, Sonntag, den mehr oder weniger österreichischen Politikern Anschober (Gesundheit), Stelzer (Oberösterreich) und Kompatscher (Südtirol) zu, wähnte man sich einer starken mitteleuropäischen Profi-Regierung. An dieser Stelle darf und muss ich einmal festhalten, dass wir froh sein dürfen, eine echte politische Regierung zu haben, das (durchaus zu Recht) umjubelte Experten-Kabinett wäre jetzt ganz sicher nicht die ideale Wahl. Und so gesehen, muss man sich noch einmal bei den Grünen bedanken, die die Regierungsverhandlungen noch ewig in die Länge hätten ziehen können.

Wie schon gestern, Sonntag, kurz erwähnt, gibt es klare Regeln für den österreichischen Nationalrat im Corona-Fall, wie Philipp Aichinger heute in der „Presse“ schreibt: Solange zumindest ein Drittel der Abgeordneten erscheint, können Gesetzesbeschlüsse gefasst werden. Will man die Verfassung ändern, muss zumindest die Hälfte erscheinen. Erkrankte könnten das Funktionieren des Nationalrats gewährleisten, indem sie auf ihr Mandat verzichten. Dann bekäme es der Nächste auf der Wahlliste, sodass man wieder genug gesunde Abgeordnete hätte. Realistisch ist dieses Szenario nicht, denn die abdankenden Abgeordneten würden ihr Mandat nach der Genesung nicht zurückbekommen.

Also bliebe, wenn es hart auf hart geht, das Notverordnungsrecht des Bundespräsidenten. Die Notverordnungen darf das Staatsoberhaupt nämlich nur auf Vorschlag der Bundesregierung erlassen. Und die Bundesregierung wiederum muss ihren Vorschlag mit dem ständigen Unterausschuss des Hauptausschusses im Nationalrat abstimmen. Dieser hat sich zu Beginn der Legislaturperiode konstituiert. Diese Abgeordneten sollten abrufbereit sein. Sobald es wieder geht, müssen die Notverordnungen ohnedies dem Nationalrat vorgelegt werden. Auch wenn ein paar Parlamentarier eingebunden blieben, hat das Notverordnungsrecht des Bundespräsidenten Grenzen. So darf auf diesem Weg keine Verfassungsänderung erfolgen. Auch dürfen keine „finanziellen Verpflichtungen der Staatsbürger“ oder „eine dauernde finanzielle Belastung“ der Gebietskörperschaften verordnet werden. Aber das wird wohl hoffentlich nie schlagend. Ähnliches gilt für die Bestimmungen, die dieser Tage als Notwendigkeit in dieser Krise beschlossen werden, die wir aber danach ganz schnell wieder abstellen müssen. Eine entsprechende Warnung der „Presse“ lesen Sie von Karl Gaulhofer. An diesem Thema werden wir sehr nahe dranbleiben, das verspreche ich Ihnen.

In diesem Zusammenhang steht einer der wichtigsten Forderungen dieser Tage: Dem Ruf nach „Tests, Tests, Tests“ kann man sich nur anschließen: Viele argumentieren mit dem Beispiel Südkorea und Taiwan, die nach ihren negativen Erfahrungen mit früheren Epidemien wie jener des Sars-Virus mit einer hohen Anzahl an Tests vorbereitet waren. Aber der flächendeckende Einsatz war nicht der einzige Faktor für den Erfolg bei der Eindämmung von Corona. Kranke und Quarantäne-Fälle werden dort unter anderem mittels Handy-Tracking und eigenen verpflichtenden Apps ständig kontrolliert. Ich bin mir nicht sicher, ob das in Österreich möglich wäre. Und: Jeder potenzielle Fall, also jeder Kontakt mit einem positiv Getesteten wurde in diesen Ländern von Polizei und Behörden mit unglaublichen Entschlossenheit gesucht und in Quarantäne gesteckt – auch das ist nicht unbedingt ein typisch europäisches Vorgehen.

Was noch immer nicht geklärt ist, sondern nur auf Mutmaßungen und Theorien fußt, ist die Ursachenfindung für die hohe Sterblichkeit durch die Krankheit in Norditalien: Von sehr schlechter Luft, vielen Alten in Familienbetreuung über plötzlicher Überforderung der unvorbereiteten Spitäler bis zu einer Dunkelziffer von Infizierten reichen die möglichen Gründe. Wirklich wissen tun wir es nicht, auch wenn es manche behaupten.

Apropos Behauptung: In Wien kursieren massive Gerüchte, dass in einem oder mehreren Spitälern Hunderter Schutzmasken aus Notlagern und ganze technischen Abteilungen, Atmungsgeräte inklusive, gestohlen wurden. Stimmt offenbar nicht, die Polizei hat keine entsprechenden Anzeigen.

Und am Schluss eine wirklich positive Geschichte: Michael Tojner, Investor, Unternehmer, Immobilien-Entwickler und Auslöser nicht nur erfreulicher Schlagzeilen, macht ein mehr als bemerkenswertes Angebot, er bietet dem KAV (Krankenanstaltenverbund), also dem Wiener Gesundheitsressort, an, bei Bedarf das Wiener Hotel „Intercontinental“ am Heumarkt für Patienten bereit zu stellen. In einem Mail schreibt Tojner an den Corona-Koordinator der Wiener Spitäler: „Die Situation stellt uns alle vor besondere Herausforderungen. Ich möchte in diesen Zeiten der Krisenbewältigung einen Beitrag leisten und Ihnen das Hotel Intercontinental am Heumarkt zur Verfügung stellen. Wir haben über 530 Zimmer mit rund 1000 Betten – diese Infrastruktur ist perfekt geeignet, um z.B. zusätzlichen Krankenhauspersonal aus den Bundesländern; Pflegerinnen oder für Risikopersonen in Einzelunterbringung eine bestmögliche Quarantäne zu ermöglichen und die Akut-Spitäler des KAV zu entlasten. Gemeinsam mit meinem Hotel-Team vor Ort wollen wir damit ein klares Zeichen setzen, dass ganz Wien zusammenhält und die Krise Hand in Hand bewältigen wird. Bitte geben Sie mir bzw. der Hoteldirektorin einfach Bescheid, ob und in welcher Form sie eine Nutzung des Hotels andenken und wie wir dessen Verwendung operativ umsetzen können. Wir stehen Ihnen jederzeit zur Verfügung und helfen, wo immer wir gebraucht werden. Mit freundlichen Grüßen Michael Tojner.“

Nein, das ist kein PR-Gag, das ist ein Beispiel, dem bitte noch der ein oder andere Unternehmer in dem Land folgen sollte. . .

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