Die „Neue Freie Presse“ war dem Zionismus ihres Mitarbeiters Herzl argwöhnisch gesonnen – doch aus anderen Gründen als oft behauptet.
Die „Presse“ hat mich, liberalen Traditionen folgend, freundlich aufgenommen. Muss ich mich dafür bedanken? Bei wem, ohne liebedienerisch zu wirken? Nein, der Dank muss auf eine andere Weise ausgedrückt werden.
Zufällig habe ich gelesen, dass der Chefredakteur dieser Zeitung vor einigen Wochen in Israel gewesen ist. Die „Presse“ hat dort einen guten Ruf. Gebildete Israelis wissen, dass Theodor Herzl ein hoch angesehener Redakteur der „Neuen Freien Presse“ gewesen ist. Oft folgt aber der bittere Nachsatz, dass die zionistischen Aktivitäten dieses Mitarbeiters vom eigenen Blatt verschwiegen worden sind. Der Vorwurf sitzt. Tatsache ist, dass die „Neue Freie Presse“ erst über die zionistische Bewegung berichtete, als dies durch Artikel anderer Blätter unausweichlich war. Sehr zur Enttäuschung Herzls wurde „sein“ Blatt nicht Sprachrohr des Zionismus. „Maledikt“ nannte er deshalb im Tagebuch den, aus jüdischer Familie stammenden, Chefredakteur Benedikt. Soeben in Basel gefeiert, müsse er in die Redaktion „demütig wie ein Commis“ eintreten.