Virenimport

Islamistenmiliz Hisbollah im Libanon wegen Corona in der Defensive

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Kämpfer und Funktionäre der Hisbollah-Miliz haben Corona aus dem vom Virus schwer heimgesuchten Iran in den Libanon eingeschleppt. Das schürt den Unmut im Volk und schwächt die Operationen und Einsatzbereitschaft der Schiitenmiliz.

Die mächtige schiitisch-islamistische Gruppierung Hisbollah im Libanon ist angesichts der Covid-19-Epidemie unversehens in gröbere Probleme geraten: Wie mehrere Quellen auch aus ihrem militärischen Arm, der Hisbollah-Miliz, berichten, hätten zahlreiche Kämpfer, Führungsfiguren und Geistliche, die aus dem von Corona besonders schwer getroffenen Iran sowie aus Syrien zurückkamen, die Viren eingeschleppt und Menschen im Libanon angesteckt.

Die Hisbollah-eigenen Spitäler etwa in Beirut seien voller Corona-Kranker und überlastet. Funktionäre und hohe Offiziere hätten sich angesteckt oder gälten als Verdachtsfälle. Zuletzt gab es (unbestätigte) Gerüchte, wonach Hisbollah-Chef Scheich Hassan Nasrallah (59) erkrankt sein soll.

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Corona schwäche jedenfalls die laufenden Operationen der Miliz im syrischen Bürgerkrieg und im Irak sowie ihre Kapazitäten anderswo, etwa im Südlibanon gegenüber ihrem Erzfeind Israel, heißt es. Das nährt wiederum Vermutungen, die Miliz würde nun durch Angriffe etwa Israels verwundbarer sein.

Grenzsperren wegen Corona ignoriert

Aus dem Libanon waren zuletzt mindestens 260 Coronafälle und fünf Todesfälle deswegen berichtet worden. Wie das Sicherheitsfachmagazin Jane's Defence, dessen Informanten und Autoren die Informationen erhalten hatten, berichtet, dürfte die Hisbollah, die rund zehn Prozent der Sitze im Parlament innehat, in den kommenden Monaten an diesem Virenimport politisch und hinsichtlich ihrer Reputation schwer zu tragen haben. Immerhin seien viele ihrer Mitglieder aus dem Iran, dem Irak und Syrien noch ins Land geströmt, obwohl die zivile Regierung die Grenzen schon gesperrt hatte.

Wie in vielen anderen Ländern auch gelten im Libanon wegen Corona massive Beschränkungen des öffentlichen Lebens, etwa Ausgangs- und Geschäftssperren. Staatspräsident Michel Aoun hat die Libanesen  angewiesen, zu Hause zu bleiben. Die sonst belebten Strände und Stranpromenaden sind verwaist.

APA/AFP/ANWAR AMRO

Der Unmut über die Hisbollah ist laut Angaben mehrerer ihrer Funktionäre und Offiziere gerade auch in den Hisbollah-dominierten Regionen in Teilen Beiruts, im Südlibanon und in der Bekaa-Ebene im Hinterland an der syrischen Grenze groß. Es heißt, ihre politische Machtbasis dort sei „von Covid-19 schwer getroffen". Dabei konnte sich das Virus dort umso leichter ausbreiten, als die sozialen Strukturen in diesen Regionen besonders dicht und um die Hisbollah herum gestrickt seien.

Die nach einigen Jahren faktischer Existenz offiziell 1985 während des libanesischen Bürgerkrieges gegründete Hisbollah unterhält ein eigenes medizinisches Netzwerk, die „Islamische Gesellschaft für Gesundheit",  parallel zum eher schwachen Gesundheitssystem des Staates. Es gilt als vergleichsweise gut gerüstet, ist ein wesentlicher Sympathieträger im Volk und könnte bei der Bekämpfung von Corona an sich gute Dienste leisten. Man arbeitet auch mit den staatlichen Behörden und internationalen Organisationen wie WHO und Unicef zusammen, nicht zuletzt bei Impfprogrammen.

Verwaister Strand bei Beirut
Verwaister Strand bei BeirutAPA/AFP/MAHMOUD ZAYYAT

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