Analyse

Autokratische Versuchung in Ungarn

Viktor Orbán forderte die Opposition im Parlament zur Zusammenarbeit auf, um gleich hinzuzufügen: „Wir werden diese Krise auch ohne Sie lösen.“
Viktor Orbán forderte die Opposition im Parlament zur Zusammenarbeit auf, um gleich hinzuzufügen: „Wir werden diese Krise auch ohne Sie lösen.“(c) REUTERS (BERNADETT SZABO)
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Ungarns Regierungschef will die jetzige Gesundheitskrise ausnützen, um das Parlament unbefristet ausschalten zu können. Er eifert anderen Autokraten nach − von Putin bis Erdoğan.

Wien. Außergewöhnliche Situationen erfordern außergewöhnliche Maßnahmen: In allen Staaten Europas greifen die Regierungen derzeit mehr oder weniger restriktiv in bürgerliche Rechte ein, um die Ausbreitung des Coronavirus zu blockieren: Ausgangssperren, Kontaktverbote, Geschäfts- und Restaurantschließungen, Aussetzung des Schulunterrichts und der Universitätslehre und, und, und . . . Die Einsicht der Bevölkerung bezüglich der Notwendigkeit solcher Maßnahmen ist groß, zumal auch Legislative und Judikative hinter den Anordnungen der Exekutive stehen.

Zu bedenken ist aber auch: „Der Kampf gegen Covid-19 liefert in Europa einen Vorwand zur Demontage demokratischer Mechanismen. Wenn die Pandemie vorüber ist, werden wir möglicherweise mit autokratischen Strukturen aufwachen“, schreibt die Warschauer „Gazeta Wyborcza“. In gefestigten Demokratien ist diese Gefahr wohl nicht besonders groß, aber in Ungarn könnte genau das passieren. Wobei, den Rechtsstaat hat Viktor Orbán seit seiner Rückkehr an die Macht 2010 ohnedies schon klein geholzt und sich durch allerlei Kunstgriffe im Wahlsystem die Mehrheit im Parlament gesichert. Sein neuester Coup ist, die jetzige Gesundheitskrise auszunützen, um an der Legislative vorbei per Dekret regieren zu können, solange die jetzige Notlage andauere. Das böse Wort vom „Ermächtigungsgesetz“ – mit ihm hob der Reichstag 1933 die Gewaltenteilung in Deutschland auf – macht bereits die Runde.

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