Shabaka Hutchings: So apokalyptisch kann Calypso sein

Inmitten der Band The Ancestors: Shabaka Hutchings (im schwarzen Mantel mit Kreuzen), aufgewachsen in Barbados, zentrale Figur des neuen Jazz aus London, entdeckt den Afrozentrismus des Sechzigerjahre- Freejazz neu.
Inmitten der Band The Ancestors: Shabaka Hutchings (im schwarzen Mantel mit Kreuzen), aufgewachsen in Barbados, zentrale Figur des neuen Jazz aus London, entdeckt den Afrozentrismus des Sechzigerjahre- Freejazz neu.Impulse/Tjasa Knezda
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Der Renaissance-Mann des New Jazz gibt in drei Trendsetter-Bands den Ton an. Mit den Ancestors ist ihm nun ein Album geglückt, das bald als Klassiker gelten wird.

Jazz ist der Punk der Stunde, heißt es heute oft in London, Chicago und Los Angeles. Eine junge Szene, die tabulos unterschiedlichste Genres für ihre Lesart von Jazz kolonisiert, schafft es, Pop-, Funk-, Grime- und Hip-Hop-Publikum für resche Sounds empfänglich zu machen. Mehr und mehr Twens finden im New Jazz den Ausdruck eines urbanen Lebensgefühls, ganz so wie es in der Popmusik üblich ist. Dass Kamasi Washington, Yussef Days und Shabaka Hutchings jetzt zu riesigen US-Popfestivals wie Coachella eingeladen werden, erinnert an die späten Sechzigerjahre, als Miles Davis und Charles Lloyd mit damals aktuellen Pop- und Rockbands in den beiden Fillmores aufspielten.

Viele aufregende neue Jazzer – von Schlagzeuger Makaya McCraven über Trompeterin Jaimie Branch bis hin zu Klarinettistin Angel Bat Dawid – fabrizieren ihr jeweils ganz eigenes Manifest aus Noise und Rhythmus, aus Meditation und Melodie. Shabaka Hutchings aber, der tut mehr. Er stellt sein vitales Spiel in den Dienst von drei Bands mit unterschiedlichen Konzepten. Mit Sons of Kemet erforscht er progressiven Jazz mit neuen Ohren und gewagten Instrumentierungen. Mit The Comet Is Coming beamt er sich mit zwei weißen Mitstreitern ins Weltall, feiert dort eine Art Cosmic-Jazz-Rave. Mit Shabaka & The Ancestors schließlich preist er die spirituelle Tradition Afrikas, schmäht die weiße Überlegenheit ebenso wie veraltete Formen von Maskulinität und den Kapitalismus. Sogar wenn es transzendent wird, bleibt es wütend, denn ein Paradies nach dem Tod stellt sich Textdichter Siyabonga Mthembu nicht vor: „There isn't any rest, there isn't any peace, release my body from its enchantment with the earth“, heißt es in der südafrikanisch groovenden, zehnminütigen Eröffnungsnummer „They Who Must Die“.

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