Heimatkunde beim Spaziergang auf dem Friedhof: eine Erinnerung an den Weyrer Wundarzt Hermann Widerhofer.
Spazieren gehen darf man. Zum Grab der Eltern etwa. Der Friedhof liegt rund um die Pfarrkirche. An dieser sind Grabsteine eingemauert. Einer erinnert an Lorenz Widerhofer, Wundarzt, gestorben 1839 in Weyer. In Wien habe ich einmal in der Nähe der Widerhofergasse gewohnt. Tatsächlich ist deren Namensgeber ein Sohn des Weyrer Wundarztes.
Hermann Widerhofer war sieben Jahre alt, als sein Vater starb. Die Singstimme war sein Glück. Er wurde zur Kirchenmusik von Weyer nach Mariazell gebracht. Die Bildung erhielt er in Klöstern: Auf Mariazell folgte St. Lambrecht, später ein Medizinstudium und dann die Stelle am Wiener St.-Anna-Kinderspital. Dort wirkte er über Jahrzehnte. Die Kaiserfamilie berief ihn zum Arzt des kleinen Thronfolgers Rudolf. Dessen Ende in Mayerling machte Widerhofer bekannt, bis hin zum Vatikan. Nach der ersten Nachricht vom Tod des Thronfolgers suchte das Kaiserhaus eilig einen Arzt, dem man vertrauen konnte. Widerhofer wurde nach Mayerling beordert. Zurück in Wien informierte er den Kaiser. Der Sohn habe keinen Augenblick gelitten, versicherte er, denn die Kugel sei sofort tödlich gewesen. „Er hat sich erschossen? Das ist nicht wahr“, fuhr ihn Franz Joseph an. „Die Vetsera hat ihn doch vergiftet!“ Der Kaiser hatte keine Ahnung, dass man ihm die Wahrheit verschwiegen hatte. Widerhofer klärte ihn auf. Er half auch bei der Obduktion auf dem Billardtisch in der Hofburg und verfasste jenes Gutachten, das den Weg für die katholische Bestattung ebnete: Rudolf habe die Tat in geistiger Verwirrung begangen. Darauf würde „eine augenfällige Tiefe der Schädelgrube“ hinweisen, ein „pathologischer Befund, welcher erfahrungsgemäß mit abnormen Geisteszuständen einherzugehen pflegt“.