Was geschieht, wenn es in Folge der Corona-Krise zu Bauverzögerungen kommt? Welche Handhabe hat man bei Baumängeln? Die Immobilienrechtsexperten Valentina Philadelphy-Steiner und Hannes Wiesflecker klären auf.
Kältebrücken, schiefe Wände, undichte Dächer, falsch montierte WC-Schüsseln oder nicht eingehaltene Terminpläne: Wer ein Haus baut, kann viel erzählen. Denn auch Professionisten sind nicht vor Fehlern gefeit. Was man im Fall des Falles tun kann, erklären die Immobilienrechtsexperten Valentina Philadelphy-Steiner von BKP Rechtsanwälte in Wien und Hannes Wiesflecker von Law Experts Rechtsanwälte in Innsbruck.
Die Presse: Was passiert eigentlich, wenn sich die Baufertigstellung verzögert, weil wegen des Coronavirus nicht gearbeitet werden kann/darf, der Bauherr aber bereits die Mietwohnung gekündigt hat?
Wiesflecker: Im Zusammenhang mit dem Ausbruch der Infektionskrankheit Sars beispielsweise hat die Rechtsprechung Fälle höherer Gewalt und die Freistellung von vertraglichen Verpflichtungen bejaht. Es kann somit davon ausgegangen werden, dass es sich bei Fällen bezüglich Coronavirus ebenfalls um höhere Gewalt handelt. Ein Ersatzanspruch auf Basis „höherer Gewalt“ wird beim Coronavirus dann entfallen, wenn behördliche Verbote ausgesprochen werden oder plötzlich eine Vielzahl von Arbeitskräften ausfallen und sich die Baufertigstellung deshalb verzögert. Nichtsdestotrotz ist der Coronavirus für sich allein aber noch kein „Freibrief“, Baufertigstellungen nicht durchzuführen. Die Frage, ob das Auftreten des Coronavirus tatsächlich im jeweiligen Fall die Leistungserbringung verhindert oder verzögert hat und ob die Baufirma den Eintritt des Ereignisses nicht hätte verhindern können, ist daher individuell zu prüfen. Darüber hinaus ist für die Beantwortung dieser Frage auch immer der jeweilige Vertrag durchzusehen.