Baubranche

Auf heimischen Baustellen ist nun viel zu tun

Auch bei der Großbaustelle am Westbahnhof, wo eine neue Filiale von Ikea entstehen soll, könnte der Betrieb bald wieder aufgenommen werden.
Auch bei der Großbaustelle am Westbahnhof, wo eine neue Filiale von Ikea entstehen soll, könnte der Betrieb bald wieder aufgenommen werden.APA/HANS PUNZ
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Auf Österreichs Baustellen kann nun wieder gearbeitet werden, allerdings nur unter Einhaltung verschärfter Schutzvorschriften. So erleichtert viele Firmen über das Baustopp-Ende sind, so viele praktische Fragen stellen sie sich.

Wien. Vor zehn Tagen haben die meisten Bauunternehmen in Österreich ihre Baustellen eingestellt. Den in der Covid-Verordnung vorgeschriebenen Sicherheitsabstand von einem Meter könne man nicht immer einhalten, so die Begründung. Nun ist der Baustopp zu Ende. Am Donnerstagabend einigten sich nämlich die Bau-Sozialpartner mit Gesundheitsminister Rudolf Anschober auf einen „8-Punkte-Katalog“. Er sieht verschärfte Schutzmaßnahmen für heimische Baustellen vor. Werden sie eingehalten, kann wieder gearbeitet werden.Anschober wird die Punkte in einem Erlass festhalten. Dieser soll die einheitliche Maßgabe für alle behördlichen Prüfungen auf Baustellen sein.

Welche Maßnahmen sieht der „8-Punkte-Katalog“ vor?
Der Katalog ist auf verschiedenen Internetseiten (www.bau.or.at/coronavirus) abrufbar. Die Schutzmaßnahmen betreffen die Arbeitshygiene, die Organisation, Arbeitsausrüstung, Risikogruppen, Personentransport, Schlafräume und Baustellenkoordination. So müssen etwa Fahrzeuge, Baumaschinen oder Werkzeug sofort desinfiziert werden, sobald sie „durch anderes Personal verwendet werden“.


Muss nun auf allen Baustellen sofort wieder weitergearbeitet werden?
Nein, denn Bauunternehmen müssen erst evaluieren, auf welchen Baustellen die Einhaltung aller Vorschriften überhaupt möglich ist bzw. diverse organisatorische Vorkehrungen treffen. Dort, wo die Vorgaben nicht eingehalten werden können, darf nicht gebaut werden, selbst wenn es der Auftraggeber verlangt. Darüber hinaus sollten Auftraggeber und Auftragnehmer besprechen, ob ein Weiterbauen derzeit sinnvoll ist. Denn zahlreiche Bauarbeiter sind vorerst in ihre Heimat zurückgekehrt, und aufgrund von Grenzschließungen gibt es viele Lieferschwierigkeiten.


Wer trägt nun die Risken bis zur Übergabe des Bauprojekts?
Dashängt davon ab: Liegt ein Werkvertrag nach dem Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch (ABGB) vor, hat grundsätzlich bei Ereignissen von höherer Gewalt der Auftragnehmer, also das Bauunternehmen, alle Risken zu tragen. So sieht es das ABGB vor.

Sollten also Schäden an einem im Bau befindlichen Wohnhaus entstehen, weil notwendige Arbeiten nicht gemacht werden können, muss die Baufirma dafür gerade- stehen. Wohlgemerkt: Das bedeutet nicht, dass der Auftraggeber automatisch Schadenersatz von seinem Auftragnehmer verlangen kann, wenn das Projekt nicht bis zum vereinbarten Termin fertig wird. „Mit Schadenersatzforderungen wird er nur dann Erfolg haben, wenn die Baufirma ein subjektives Verschulden an der Verzögerung trifft“, sagt Rechtsanwalt Thomas Frad in einer Telefonkonferenz, die das ÖPWZ für die interessierte Baubranche am Freitag organisiert hatte.  „Wenn aber Mitarbeiter aufgrund der behördlichen Schutzmaßnahmen eine Baustelle nicht betreten dürfen oder es wegen der Corona-Pandemie zu Lieferschwierigkeiten kommt, kann man dem Bauunternehmen keinen Vorwurf machen.“

In der Praxis wird jedoch häufig vereinbart, dass nicht die Regelungen des ABGB, sondern die ÖNorm B2110 gelten soll. Und dann ist alles umgekehrt: „Der Auftraggeber hat dann dafür zu haften, wenn die Fertigstellung des Bauwerks unmöglich wird, wenn das auf Ereignisse zurückzuführen ist, die zum Vertragsabschluss nicht vorhersehbar waren oder vom Auftragnehmer nicht abgewendet hätten werden können“, sagt Frad.

• Was hat eine Baufirma zu tun, wenn ihr die Mitarbeiter aufgrund der Corona-Krise fehlen?

Wenn für den Chef einer Baufirma absehbar ist, dass ein Teil seiner Mitarbeiter nicht so bald aus Polen oder der Slowakei zurückkommen wird, hat er sich jedenfalls zeitgerecht um Ersatz für sie zu kümmern, erklärt Baurechtsexperte Frad, und zwar auch dann, wenn die ÖNorm Grundlage des Vertrags ist. „Nachdem zahlreiche Bauvorhaben derzeit im Einvernehmen beider Vertragsparteien nicht fortgeführt werden, wird es wohl genügen Kapazitäten am Markt geben. Es ist Bauunternehmen also zumutbar, sich um neues Personal zu bemühen.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.03.2020)

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