Lebensmitteltechnologie

Ein Stromstoß – und in wenigen Minuten ist das Brot fertig

Das neue Backverfahren ist vor allem für Toastbrot geeignet.
Das neue Backverfahren ist vor allem für Toastbrot geeignet.Boku
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An der Boku Wien wird glutenfreies Brot durch Ohmsches Erhitzen gebacken. Dabei wird der Teigrohling von innen heraus zubereitet. Der Backvorgang ist schnell erledigt, das spart Energie – auf das Knuspererlebnis muss aber verzichtet werden.

Die Versuchsanlage ist etwa eineinhalb Meter groß, das Gehäuse ist aus Stahl gefertigt, im Inneren befinden sich die elektrischen Bauteile. Die Bedienung ist relativ problemlos, das Produkt ist ein Brot. Genauer: ein frischgebackenes, glutenfreies Brot.

Das im Labor entwickelte Backgerät befindet sich im Institut für Lebensmitteltechnologie der Universität für Bodenkultur (Boku) in Wien. Im Fachmagazin Food and Bioprocess Technology wurde nun eine Anleitung für das Backen eines glutenfreien Brots durch Ohmsches Erhitzen vorgestellt. Das Brot wird durch Stromstöße von innen heraus gebacken. „Backtechnologien sind bei uns ein ständiges Thema und das Ohmsche Erhitzen ebenfalls“, sagt Institutsvorstand Henry Jäger. Also entstand die Idee, beide Bereiche zusammenzuführen.

„Das Ohmsche Erhitzen beruht auf einer Erhitzung durch den elektrischen Widerstand eines Lebensmittels“, sagt Jäger. Bei dieser spezifischen Art des Erhitzens wird elektrischer Strom durch Lebensmittel geleitet, wobei es durch den Ohmschen Widerstand zur Erwärmung des Lebensmittels kommt. Bei dem generierten Stromfluss wird elektrische Energie in thermische Energie umgewandelt, das Lebensmittel erwärmt sich. Diesen Effekt macht man sich in der Lebensmittelindustrie zur Haltbarmachung von Produkten zunutze. Zudem erreicht man durch das Ohmsche Erhitzen eine gleichmäßige Hitzeverteilung. Am Boku-Institut wurden nun mit der eigens entwickelten Apparatur die Bedingungen für das optimale Backergebnis ausgearbeitet.

Mehr Wasser erforderlich

Die glutenfreie Ernährung hat in den vergangenen Jahren ein Hoch erfahren, nicht nur wegen vorhandener Zöliakie (Magen-Darm-Erkrankung), sondern auch bei leichteren Beschwerden im Verdauungstrakt. Gluten (oder Klebereiweiß) spielen bei der Herstellung von Weizenbrot eine tragende Funktion. Glutenfrei bedeutet, dass bestimmte in den Getreidesorten vorhandene Proteine nicht enthalten sind. Bei einem traditionellen Backverfahren fehlt bei der Herstellung von glutenfreiem Brot das Weizenprotein, „das beim Aufgehen des Teigs Gase umschließt und so zur Entstehung von Poren und einer guten Krume (weiche innere Masse, Anm.) beiträgt“, so Jäger. Bei einem glutenfreien Brot muss nun doppelt so viel Wasser zum Teig zugefügt werden wie bei einem normalen Brot. Der Teig wird dünnflüssiger und das Backen erschwert.

Der übliche Backvorgang durch lang anhaltende Erhitzung wird nun durch das neue Verfahren ersetzt. „Im Prinzip kann man das mit einer Glühbirne vergleichen, der Glühdraht erwärmt sich, wenn der Strom durchfließt“, sagt Henry Jäger. Der Teigrohling befindet sich in kleinen Wannen, deren gegenüberliegende Metallplatten mit elektrischem Strom versetzt werden. Der Strom durchzieht nun blitzschnell den Teig von innen und erhitzt diesen. Damit der Strom auch eindringt und nicht in der Blechwanne bleibt, darf diese nicht geschlossen sein, die schmäleren Seitenverbindungen müssen vielmehr aus Kunststoff gefertigt sein. Ein beachtenswerter Vorteil ist zudem, dass der Backvorgang nur fünf Minuten dauert und der durch die ansonsten lang anhaltende Erwärmung erforderliche Energieverbrauch vermieden wird. Zudem ist das Brotvolumen durch die gleichmäßige Erwärmung und die dadurch erzielten homogener verteilten Poren um zehn bis 30 Prozent höher.

Vorerst keine Brotkruste

Durch die Erhitzung von innen entsteht aber auch keine – bei Konsumenten beliebte – Krustenbildung. Das Backverfahren ist also vor allem für Toastbrot oder Tramezzini-Brot geeignet. Will man doch zu einer Bräunung der Kruste kommen, so könnte man diese mit einer Infrarotbehandlung oder dem heute oft schon üblichen abschließenden Herausbacken erzielen. Das Verfahren, so der Lebensmitteltechnologe Jäger, sei nicht für „den kleinen Bäcker ums Eck“ gedacht, für größere Brothersteller würde es sich aber rentieren. Würde ein Anlagenbauer eine derartige Backmaschine herstellen, könnte diese schon auf etwa 100.000 Euro kommen. Interessenten gebe es bereits.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.03.2020)

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