Das Land befindet sich seit zwei Wochen in einer Ausnahmesituation in vielerlei Hinsicht.
Guten späten Morgen! Während wir langsam den Unterschied zwischen Wochenende und Home-Office herauszuarbeiten versuchen, wird in wenigen Minuten eine neue wirtschaftliche Hilfe für tausende Österreicher verkündet, die vergleichsweise einzig- und neuartig für Österreich ist. Finanzminister Gernot Blümel und Robert Zadrazil, Bundesspartenobmann Stellvertreter der Bundessparte Banken und Versicherungen, im Brotberuf Chef der Bank Austria, informieren „über erleichterten Zugang zu Liquidität für Österreichs Unternehmen“. Weitere noch wichtigere Maßnahmen werden nächste Woche präsentiert.
Apropos Zeit: Ich habe das für heute Samstag einen Leitartikel über die Geduld geschrieben, den ich nicht vorenthalten will: „Wann wir endlich da sind? Es dauert noch . . .“
Ja, es geht um die Szene mit den Kindern. Man steigt ins Auto, macht sich auf den Weg nach Italien und pünktlich bei der Ausfahrt Wiener Neustadt, hören Sie zum ersten Mal: „Sind wir bald da?“ (Ich hätte auch schreiben können: Ich muss aufs …“). Kurzer Anriss: Kritik am De-facto-Shutdown muss möglich sein und diskutiert werden. Aber: Bis jetzt konnte keiner eine Alternative dazu vorlegen.
Das Land befindet sich seit zwei Wochen in einer Ausnahmesituation in vielerlei Hinsicht. Für sehr viele Menschen fühlen sich die Ausgangsbeschränkungen, der Stillstand des öffentlichen Lebens, die Schließung des Handels und großer Teile der Wirtschaft bedrohlich an. Nicht nur wegen des Risikos einer Infizierung mit dem Coronavirus, sondern wegen der Isolation, der Einsamkeit, der verständlichen Überforderung mit Home-Office und Kinderbetreuung bzw. Heimunterricht und dem zwar surreal anmutenden, aber realen Gefühl, eingesperrt zu sein, selbst wenn es sich um vergleichsweise komfortable Gefängnisse handelt.“
Der ganze Text in der Kurz-Version: Wir halten bei zwei Wochen, es wird mindestens noch so lange dauern, daher sollten wir uns in Geduld üben, bis die Zahlen der Infizierten nachhaltig besser sind.
Nach Italien, Spanien und Frankreich müssen nun auch zwei Länder immer mehr deutlicher die Versäumnisse im Verhindern sozialer Kontakte ihrer Bewohner erkennen. In Großbritannien und in den USA steigt die Zahl der Todesfälle aufgrund des Coronavirus massiv an. Und ohne an dieser Stelle gewagte Prophezeiungen verkünden zu wollen, eine derart dramatische Situation wie etwa in Italien wird Österreich in den kommenden Wochen nicht ertragen müssen, obwohl sich die Situation in den Tiroler Spitälern in den kommenden beiden Wochen und danach im Rest Österreich natürlich verschlimmern wird.
Und ja, neben den getroffenen drastischen Maßnahmen ist das der gute Ausbau unseres Gesundheitssystems, der uns das garantieren dürfte. Und ja, wir Journalisten werden und sollten in Zukunft nicht jeden Rechnungshofbericht wie die Bibel behandeln, wenn wieder einmal Spitalsbetten-Reduktionen verlangt werden. Das heißt aber auch nicht, dass jeder Landeshauptmann und Bürgermister wie früher nach Wunsch ein Prestige-Krankenhaus bekommen darf.
Erlauben Sie mir noch eine zwischenmenschliche Bemerkung: Zwischen Ernst der Lage und Verbot von Humor sowie Freizeit ist ein schmaler Grat. Als ich gestern Abend auf Twitter das großartige Koch-Video-Duell der beiden Köche Sepp Schellhorn und Paul Ivic empfahl, passierte Interessantes. (Wie überhaupt Kochvideos vieler Chefs auf Instagram einer der sehr wenigen positiven Folgen ihres De-Facto-Beruf-Verbots sind.) Ein (Tiroler) PR-Berater und Gastkommentar-Anbieter – Twitter ist voll von denen – empörte sich über die Empfehlung mit der Bauern-Kalender-Weisheit, dem vermeintlichen Zitat Marie-Antoinettes („Dann sollen sie doch Kuchen essen.“), um auf die Dekadenz einer solchen Handlung hinzuweisen.
Hermann Hesse hätte er auch auf Lager gehabt, aber der „Zauber des Anfangs“ hat gerade nicht gepasst. Aber ich bin dem Ex-Journalisten dankbar: Machen wir doch das Beste aus dieser unangenehmen Zeit, kochen, essen, spielen, reden, trinken wir. So wir alleine sind, endlichen machen Telefon und Social Media richtig guten Sinn! Wir werden diese Phase in unseren Leben nicht vergessen. Wir werden uns noch Jahre gegenseitig fragen: Wie hast du das damals erlebt? Wie ist es dir ergangen? Und dann wollen wir nicht antworten: Ich habe mich gefürchtet und immer beobachtet, ob die Nachbarn nicht vielleicht doch feiern. (Selbst wenn wir uns so gefühlt haben.) Und bitte zitiert jetzt niemand die letzten Drinks auf der Titanic. Wobei: Die Musik soll nicht so schlecht gewesen sein.