Gastkommentar

Seidenstraße der Gesundheit?

Dass China der eigentliche Verursacher der aktuellen Versorgungskrise ist, wird in dieser Situation übersehen.

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Im aktuell verordneten Zwangsjubel über chinesische Hilfslieferungen mit Schutzmaterial in der Corona-pandemie (Schutzanzüge, verschiedene Arten von Masken u. ä.) wird konsequent die Tatsache verleugnet, dass China keinesfalls die Lösung, sondern vielmehr die Ursache der aktuellen Krise ist.

Der Magie der großen Zahl erliegend, wird derzeit etwa die Ankunft zweier Flugzeuge mit 130 Tonnen Hilfsgütern in Österreich gefeiert. Dabei sind die angekündigten Waren lediglich ein Tropfen auf den heißen Stein und entspannen die Lage in keiner Weise. Es handelt sich nämlich dabei u. a. etwa um zwei Millionen Schutzmasken – das mag für den Normalbürger nach viel klingen, ist es aber nicht. Allein Italien benötigt derzeit monatlich 90 Millionen Masken; auf Österreich umgelegt wären das etwa zwölf Millionen pro Monat (sollte sich die Verhältnisse ähnlich entwickeln). Dazu kommt, dass es verschiedene Arten von Schutzmasken gibt und nur die hochklassigen FFP-Masken tatsächlich Schutz vor dem Corona-Virus gewähren. Die überwiegende Mehrheit der aktuell gezeigten (und aus China gelieferten) Masken sind jedoch simple OP-Masken. Für diese gibt es keine wissenschaftlichen Daten über ihre tatsächliche Wirkung. Man kann also annehmen, dass der Großteil dieser Masken eher symbolische Wirkung als einen tatsächlichen Schutz entfalten wird.

Symbolischer Schutz

Dass China der eigentliche Verursacher der aktuellen Versorgungskrise mit allen möglichen Arten von Schutzmaterial ist, wird in dieser Situation beflissentlich übersehen. Seit Monaten kaufen nämlich nicht nur das offizielle China, sondern auch alle möglichen chinesischen Firmen auf der ganzen Welt Schutzmaterial. Allein im Februar wurden auf diese Weise über 400 Millionen Schutzmasken nach China transferiert. Da darf es nicht überraschen, dass der Weltmarkt leergefegt ist. Aktuell ist es jedenfalls kaum möglich, dringend benötige Ausrüstung zu erwerben.

Die geopolitische Dimension des aktuellen chinesischen Verhaltens wird zudem völlig unterschätzt. China schlägt jetzt seine politischen und wirtschaftlichen Pflöcke für künftiges Handeln in Europa ein.

Geopolitische Auswirkungen

Aber auch dass die soziale Lage und die systemischen Mängel im Bereich Umwelt und Hygiene in China der ursächliche Ausgangspunkt des Coronavirus sind, fällt zunehmend unter den Tisch. Das geht so weit, dass „Global Times“ – das englischsprachige Sprachrohr der Kommunistischen Partei Chinas – Überlegungen anstellt, ob die Pandemie nicht vielleicht doch ihren Ursprung in Italien hatte und China somit eigentlich das erste Opfer sei. Gleichzeitig generiert sich das offizielle China zunehmend als „Retter in der Not“ und seinen Führer Xi Jinping als „charismatischen Bezwinger der Krise“. Dass die Propaganda aus Peking wirkt, kann man selbst im ORF erleben, wenn dessen Innenpolitik-Chef Hans Bürger mit bewunderndem Unterton berichtet, was denn „in China alles möglich ist“, um den Virus zu bekämpfen. Dass China mit seinen kosmetischen Hilfslieferungen an diverse europäische Staaten natürlich hauptsächlich eine eigene Agenda verfolgt, liegt auf der Hand. Dankbarkeit für die jetzigen Lieferungen wird nicht ausreichen.

Nach der Krise wird China zumindest Gefälligkeiten und politisches Entgegenkommen einfordern. Auf eines können sich alle, die derzeit chinesische Hilfsflüge bejubeln, jedenfalls schon einmal einstellen: Besuche des Dalai-Lama können sie sich abschminken. Und dabei wird es nicht bleiben.

Der Autor

Stefan Brocza (*1967) ist Experte für Europarecht und intern. Beziehungen.

E-Mails an: debatte@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.03.2020)

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